Coriolanus

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Wir finden immer Ein unabwendbar Elend, wird uns auch Ein Wunsch gewährt; wer auch gewinnen mag, Entweder führt man dich, Abtrünn'gen, Fremden, In Ketten durch die Straßen; oder du Trittst im Triumph des Vaterlandes Schutt Und trägst die Palme, weil du kühn vergossest Der Frau, des Kindes Blut; denn ich, mein Sohn, Ich will das Schicksal nicht erwarten, noch Des Krieges Schluß. Kann ich dich nicht bewegen, Daß lieber jedem Teil du Huld gewährst, Als einen stürzest--Traun, du sollst nicht eher Dein Vaterland bestürmen, bis du tratst (Glaub mir, du sollst nicht) auf der Mutter Leib, Der dich zur Welt gebar.

Virgilia. Ja, auch auf meinen, Der diesen Sohn dir gab, auf daß dein Name Der Nachwelt blüh.

Der kleine Marcius. Auf mich soll er nicht treten. Fort lauf ich, bis ich größer bin, dann fecht ich.

Coriolanus. Wer nicht will Wehmut fühlen, gleich den Frauen, Der muß nicht Frau noch Kindes Antlitz schauen. Zu lange saß ich.

(Er steht auf.)

Volumnia. Nein, so geh nicht fort. Zielt' unsre Bitte nur dahin, die Römer Zu retten durch den Untergang der Volsker, Die deine Herrn, so möchtst du uns verdammen Als Mörder deiner Ehre.--Nein, wir bitten, Daß beide du versöhnst; dann sagen einst Die Volsker: "Diese Gnad erwiesen wir",-- Die Römer: "Wir empfingen sie"; und jeder Gibt dir den Preis und ruft: "Gesegnet sei Für diesen Frieden!"--Großer Sohn, du weißt, Des Krieges Glück ist ungewiß; gewiß Ist dies, daß, wenn du Rom besiegst, der Lohn Den du dir erntest, solch ein Name bleibt, Dem, wie er nur genannt wird, Flüche folgen. Dann schreibt die Chronik einst: "Der Mann war edel, Doch seine letzte Tat löscht' alles aus, Zerstört' sein Vaterland; drum bleibt sein Name Ein Abscheu künftgen Zeiten."--Sprich zu mir. Der Ehre zartste Fordrung war dein Streben, In ihrer Hoheit Göttern gleich zu sein: Den Luftraum mit dem Donner zu erschüttern Und dann den Blitz mit einem Keil zu tauschen, Der nur den Eichbaum spaltet. Wie? nicht sprichst du?-- Hältst du es würdig eines edlen Mannes, Sich stets der Kränkung zu erinnern?--Tochter, Sprich du, er achtet auf dein Weinen nicht.-- Sprich du, mein Kind-- Vielleicht bewegt dein Kindgeschwätz ihn mehr, Als unsre Rede mag.--Kein Mann auf Erden Verdankt der Mutter mehr; doch hier läßt er Mich schwatzen wie ein Weib am Pranger.--Nie Im ganzen Leben gabst der lieben Mutter Du freundlich nach, wenn sie, die arme Henne, Nicht andrer Brut erfreut, zum Krieg dich gluckte, Und sicher heim, mit Ehren stets beladen.-- Heiß ungerecht mein Flehn und stoß mich weg; Doch ist's das nicht, so bist nicht edel du, Und strafen werden dich die Götter, daß Du mir die Pflicht entziehst, die Müttern ziemt. Er kehrt sich ab!-- Kniet nieder Fraun, beschäm ihn unser Knien. Dem Namen Coriolanus ziemt Verehrung, Nicht Mitleid unserm Flehn.--Kniet, sei's das Letzte.-- Nun ist es aus--wir kehren heim nach Rom Und sterben mit den Unsern.--Nein, sieh her! Dies Kind, nicht kann es sagen, was es meint; Doch kniet es, hebt die Händ empor mit uns, Spricht so der Bitte Recht mit größrer Kraft, Als du zu weigern hast.--Kommt, laßt uns gehn: Der Mensch hat eine Volskerin zur Mutter, Sein Weib ist in Corioli, dies Kind Gleicht ihm durch Zufall.--So sind wir entlassen, Still bin ich, bis die Stadt in Flammen steht, Dann sag ich etwas noch.

Coriolanus. O! Mutter!--Mutter!

(Er faßt die beiden Hände der Mutter. Pause.)

Was tust du? Sieh, die Himmel öffnen sich, Die Götter schaun herab; den Auftritt, unnatürlich, Belachen sie.--O! meine Mutter! Mutter! O! Für Rom hast glücklich du den Sieg gewonnen; Doch deinen Sohn--O glaub es, glaub es nur, Ihm höchst gefahrvoll hast du den bezwungen, Wohl tödlich selbst. Doch mag es nur geschehn! Aufidius, kann ich Krieg nicht redlich führen, Schließ ich heilsamen Frieden. Sprich, Aufidius, Wärst du an meiner Statt, hättst du die Mutter Wen'ger gehört? ihr wen'ger zugestanden?

Aufidius. Ich war bewegt.

Coriolanus. Ich schwöre drauf, du warst es. Und nichts Geringes ist es, wenn mein Auge Von Mitleid träuft.

William Shakespeare
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