Lady. O mein liebster Lord, warum seyd ihr so allein? Wegen was für eines Verbrechens ist eure Gemahlin diese Nacht von ihres Harrys Bette verbannt worden? Sage mir, mein Liebster, was ist es, das dir deinen Appetit, dein Vergnügen und deinen Schlaf raubt? Warum heftest du deine Augen auf den Boden? Warum fährst du so oft auf, wenn du allein sizest? Warum hast du die frische Farbe deiner Wangen verlohren? Und warum giebst du mein Kleinod, meine Rechte an dich, der trübsinnigen Schwermuth preiß? Unter deinem unruhigen Schlummer hab ich an deiner Seite gewacht, und dich von Krieg und Schlachten murmeln gehört; du redtest mit deinem Pferde, oder rieffest, (Courage! Zum Treffen!) Du redtest von Ausfällen und Rükzügen; von Laufgräben, Zelten, Palisaden, Schanzen, Brustwehren, Carthaunen, Canonen, Feldschlangen, von Ranzionen der Gefangnen, und von erschlagnen Soldaten--Deine Seele war so sehr mit kriegrischer Arbeit beschäftigt, und hat selbst im Schlaf dich in eine so große Bewegung gesezt, daß grosse Schweißtropfen auf deiner Stirne gestanden, und die Muskeln deines Gesichts aufgelauffen sind, wie wir an Leuten sehen, denen vor allzuhastiger Bewegung der Athem zurück bleibt. O! was für schrekenvolle Zeichen sind das! Ihr habt irgend ein schweres Geschäfte vor euch, und ich muß es wissen, oder ihr liebt mich nicht. (Ein Bedienter kommt herein.)

Hot-Spur. He! ist Willhelm mit dem Paquet abgegangen?

Bedienter. Ja, Milord, schon vor einer Stunde.

Hot-Spur. Hat der Kellner diese Pferde vom Scheriff gebracht?

Bedienter. Eines, Milord, bracht' er eben izt.

Hot-Spur. Was für eines? Den Rothschimmel, mit den gestuzten Ohren, nicht wahr?

Bedienter. Ja, Gnädiger Herr.

Hot-Spur. Dieser Rothschimmel soll mein Thron seyn. Gut, ich will ihn gleich besteigen. (O Esperance!)* Führte ihn der Kellner in den Parc?

{ed. * Dieses französische Wort ist vermuthlich da, damit es die Lady Percy nicht verstehen solle.}

Lady. Aber höret, Milord--

Hot-Spur. Was willt du sagen, Milady?

Lady. Was führt euch dann weg?

Hot-Spur. Wie? Mein Pferd, Liebe, mein Pferd.

Lady. Weg mit dir, du tollköpfiger Affe! Eine Wiesel hat nicht so viel Spleen als ihr--Bey meiner Treue, ich will euer Geschäfte wissen, das will ich. Ich fürchte mein Bruder Mortimer geht damit um, seinen Anspruch gelten zu machen, und verlangt euern Beystand; aber wenn ihr geht--

Hot-Spur. Soweit zu Fuß zu gehen, würde mich müde machen, Liebe.

Lady. Kommt, kommt, ihr kleiner Papagay, antwortet mir geradezu auf das was ich euch frage. Ich breche dir deinen kleinen Finger ab, Harry, wenn du mir nicht die ganze Wahrheit gestehst.

Hot-Spur. Weg, weg, kleiner Kindskopf--Lieben! Ich liebe dich nicht, ich denke nicht an dich, Käthe; es ist izt keine Zeit mit Puppen zu spielen, und mit Lippen zu fechten. Izt ist es um blutige Nasen, und gespaltete Hirnschädel zu thun--Was sagst du, Käthe? Was willt du von mir?

Lady. Liebt ihr mich dann nicht mehr? In der That nicht. Gut, so thut es nicht. Denn wenn ich nicht mehr verdiene, von euch geliebt zu werden, so bin ich auch nicht werth, daß ich mich selbst liebe. Liebt ihr mich nicht? Nein, sag mir's, redst du im Scherz oder nicht?

Hot-Spur. Komm, willt du mich reiten sehen? Wenn ich zu Pferd bin, dann will ich schwören, daß ich dich unendlich liebe. Aber hörst du, Käthe, du mußt mich nicht weiter ausfragen, wohin ich gehe; noch Muthmassungen anstellen, warum? Wohin ich muß, muß ich, und um es kurz zu machen, diesen Abend müssen wir scheiden, liebste Käthe. Ich weiß daß du verständig bist, aber doch nicht verständiger als Harry Percy's Weib. Du hast Muth, so viel ein Weibsbild haben soll; und an Verschwiegenheit übertrift dich gewiß kein Frauenzimmer in der Welt. Ich zweifle also keinen Augenblik daran, daß du nichts sagen wirst, wenn du nichts weißst; und in so weit hab' ich ein vollkommnes Zutrauen zu dir, meine süsse Käthe.

Lady. Wie? In so weit?

Hot-Spur. Nicht einen Zollbreit mehr. Aber hörst du, Käthe, wohin ich gehe, sollt du auch gehen.

William Shakespeare
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