Wenn ihr wißtet wie viel daran gelegen ist, ihr würdet eilen.
Sir Michell. Gnädigster Herr, ich errathe ihren Inhalt.
York. Es ist leicht möglich. Morgen, mein lieber Sir Michell, ist ein Tag, der dem Leben von zehntausend Menschen das Urtheil sprechen wird. Denn, meinen Nachrichten zufolge, ist der König mit einer grossen und schnell-aufgebotnen Macht gegen den Lord Percy nach Schrewsbury angerükt; und ich besorge, Sir Michell, Northumberlands Krankheit, auf dessen Beystand man am meisten gezählt hatte, und Owen Glendowers Abwesenheit, der von dräuenden Propheceyungen zurük gehalten worden, werden nachtheilige Folgen haben; Percy's Macht ist nicht stark genug, es mit dem König aufzunehmen.
Sir Michell. Wie, Milord, Dowglas und Mortimer sind ja bey ihm.
York. Nein, Mortimer nicht.
Sir Michell. Aber Mordake, Vernon, Heinrich Percy, und Milord von Worcester sind doch da, und mit ihnen eine Schar von tapfern jungen Helden, von den auserlesensten edeln Jünglingen.
York. Das ist so; aber der König hat den Adel des ganzen Reichs aufgeboten: der Prinz von Wales, Lord John von Lancaster, der edle Westmorland, der tapfre Blunt, und viele andre von gleichem Werth, Männer von Ansehn und Kriegs-Erfahrenheit, sind bey seinem Heer.
Sir Michell. Zweifelt nicht, Milord, sie werden tapfer empfangen werden.
York. Ich hoffe nicht weniger; aber es ist doch nöthig zu fürchten, und um das schlimmste was begegnen könnte, zu verhüten, so eilet, Sir Michell. Denn wenn Lord Percy nicht die Oberhand erhält, so hat der König im Sinn, eh er seine Truppen auseinander gehen läßt, uns hier einen Besuch zu machen, und die Vorsichtigkeit selbst erfordert, das äusserste gegen ihn zu thun. Beschleuniget euch also, ich muß gehen und noch an andre Freunde schreiben; und hiemit lebet wohl, Sir Michell.
(Sie gehen ab.)
Fünfter Aufzug.
Erste Scene. (Das Königliche Lager zu Schrewsbury.) (König Heinrich, der Prinz von Wales, Lord John von Lancaster, Graf von Westmorland, Sir Walter Blunt und Falstaff treten auf.)
König Heinrich. Wie blutig die Sonne von jenem buschichten Hügel herab sieht! Der Tag erblaßt vor Schreken über ihren Grimm.
Prinz Heinrich. Der Südwind bläßt die Trompeten zu ihrem Vorhaben, und kündigt durch sein hohles Flüstern im Laub ein Ungewitter, und einen stürmischen Tag vorher.
König Heinrich. So sympathisirt also das Wetter mit den Verliehrenden; denn für die Gewinnenden ist das Garstige schön.
(Die Trompeten erschallen.)
(Worcester und Sir Richard Vernon treten auf.)
König Heinrich. Wie nun, Milord von Worcester. Es ist nicht fein, daß ihr und ich auf einen solchen Fuß zusammen kommen sollen. Ihr habt unser Zutrauen betrogen, habt uns genöthigt unsre bequemen Friedens- Kleider abzuwerfen, und unsre alten Glieder in harten Stahl zu zwängen; es ist nicht wohl gethan, Milord, es ist nicht wohl gethan. Was ist nun eure Gesinnung? Wollt ihr wieder in die Sphäre des Gehorsams zurük kehren, worinn ihr ein so schönes und natürliches Licht von euch gabet, und nicht länger ein aufgedunsenes Meteor, ein furchterwekendes Wunderzeichen seyn, ein Vorbote von Unheil für noch ungebohrne Zeiten?
Worcester. Vergönnet mir Gehör, mein Gebietender Herr; was mich selbst betrift, so könnt' ich mir gerne gefallen lassen, den Rest meines Lebens in Ruhe zuzubringen: Ich versichre, daß ich den Tag dieses öffentlichen Bruchs nicht gesucht habe.
König Heinrich. Ihr habt ihn nicht gesucht, Sir? Woher kommt er dann?
Falstaff. Er fand die Rebellion in seinem Wege ligen, und da hub er sie eben auf.
Prinz Heinrich. Still, Schmeerbauch, still.
Worcester. Es gefiel Eurer Majestät, eure günstigen Blike von mir und meinem ganzen Hause zu wenden; und doch muß ich euch erinnern, Gnädigster Herr, daß wir eure ersten und eifrigsten Freunde waren. Um euertwillen brach ich in Richards Zeiten meinen Marschalls-Stab, und reißte Tag und Nacht, euch entgegen zu gehen, und eure Hand zu küssen, zu einer Zeit, da ihr an Macht und Ansehen weit unter mir war't; ich, mein Bruder, und sein Sohn waren es, die mit ihrer Gefahr euch in euer Vaterland wieder einsezten.