Antonio (zu Gonsalo.) Nein, mein guter Herr, werdet nicht böse.
Gonsalo. Ich stehe euch davor, daß ich zu gescheidt bin über eure Einfälle böse zu werden. Wollt ihr mich in den Schlaf lachen? denn ich bin ganz schläfrig.
Antonio. Geht, schlaft und hört uns zu.
Alonso. Wie? Alle schon eingeschlafen! Meine Augen schliessen sich auch, möchten sie meine Gedanken zugleich verschliessen!
Sebastian. Sire, wiedersteht dem Schlummer nicht, der sich euch anbietet. Er besucht selten den Kummer, und wenn er's thut, ist er ein Tröster.
Antonio. Wir zween, Gnädigster Herr, wollen indessen daß ihr der Ruhe geniesset, für eure Sicherheit wachen.
Alonso. Ich danke euch--eine wunderbare Schläfrigkeit! --
(Alle schlaffen, ausser Sebastian und Antonio.)
Sebastian. Was für ein seltsamer Taumel ist das, der sich ihrer bemeistert?
Antonio. Die Beschaffenheit des Clima muß daran Ursache seyn.
Sebastian. Warum sinken dann unsre Auglieder nicht auch? Ich spüre nicht die mindeste Schläfrigkeit.
Antonio. Ich auch nicht; meine Lebensgeister sind ganz munter. Sie fielen alle hin als ob sie es mit einander abgeredet hätten, sie sanken um, wie vom Donner gerührt. Was könnte, würdiger Sebastian--O! was könnte--Nichts weiter!--Und doch, dünkt mich, ich seh es in deinem Gesicht, was du seyn solltest. Die Gelegenheit sagt es dir, und meine Einbildungs-Kraft sieht eine Krone über deinem Haupte schweben.
Sebastian. Wie? wachest du?
Antonio. Hört ihr mich denn nicht reden?
Sebastian. Ich höre dich, aber wahrhaftig es sind Reden eines Schlafenden; du sprichst im Schlaf. Was sagtest du? Es ist ein seltsamer Schlaf, mit weitofnen Augen zu schlafen; stehen, reden, sich bewegen, und doch so hart eingeschlaffen seyn!
Antonio. Edler Sebastian, du lässest dein Glük schlafen. Stirb lieber! du wachest mit geschloßnen Augen.
Sebastian. Du schnarchest verständlich; es ist Bedeutung in deinem Schnarchen.
Antonio. Ich bin ernsthafter als meine Gewohnheit ist. Seyd auch so, wenn ich euch rathen darf; und es wird euer Glük seyn, euch rathen zu lassen.
Sebastian. Gut, ich bin stehendes Wasser.
Antonio. Ich will euch fliessen lehren.
Sebastian. Thue das; stehen lehrt mich meine angeerbte Trägheit.
Antonio. O! wenn ihr nur wißtet, wie sehr ihr meinen Vorschlag liebet, ob ihr ihn gleich zu verwerfen, wie ihr euch immer mehr darinn verwikelt, je mehr ihr euch loß zu winden scheint. Langsame Leute werden oft durch ihre Zagheit oder Trägheit nur desto schneller auf den Grund gezogen.
Sebastian. Ich bitte dich, sprich deutlich. Dein Blik und deine glühende Wange verkündigen, daß du mit irgend einem grossen Vorhaben schwanger gehst, von dem du so voll bist, daß du es nicht länger zurükhalten kanst.
Antonio. Hier ist es, Prinz. Ungeachtet dieser Höfling, schwachen Angedenkens (es wird gewiß seiner wenig gedacht werden, wenn er einmal eingescharrt ist) den König beynahe überredet hat (denn er ist ein Geist der Überredung, er kan sonst nichts als überreden) daß sein Sohn noch lebe; so ist es doch so unmöglich, daß er nicht im Wasser umgekommen seyn sollte, als daß der schwimmt, der hier schläft.
Sebastian. Ich habe keine Hoffnung, daß er mit dem Leben davongekommen seyn möchte.
Antonio. O sagt mir nichts von Hoffnung--Was für grosse Hoffnung hättet ihr-- die Hoffnung ligt nicht auf diesem Wege; es ist ein andrer, der zu einer so hohen Hoffnung führt, daß der Ehrgeiz keinen Blik dahin thut, ohne an der Würklichkeit dessen was er sieht zu zweifeln. Wollt ihr mir eingestehen, daß Ferdinand umgekomen ist?
Sebastian. Ich glaub es.
Antonio. So sagt mir dann, wer ist der nächste Erbe von Neapel?
Sebastian. Claribella.
Antonio. Sie, welche Königin von Tunis ist; sie, die zehen Meilen hinter einem Menschenalter wohnt; sie, die von Neapel nicht eher eine Nachricht haben kan, (es wäre denn daß die Sonne der Postillion seyn wollte, der Mann im Monde wäre zu langsam) bis neugebohrne Kinne bärtig worden sind; sie, um deren willen wir vom Meer verschlungen worden; obgleich einige, die wieder ausgeworfen worden, von diesem Zufall Gelegenheit nehmen mögen, eine Scene zu spielen, wovon das Vergangne der Prologus ist;
Sebastian. Was für Zeug ist das? Was sagt ihr? Es ist wahr, meines Bruders Tochter ist Königin von Tunis, sie ist auch Erbin von Neapel, und zwischen diesen beyden Reichen ist ein ziemlicher Raum.