Der Sturm

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Sie k�nnen nicht von der Stelle, bis ihr sie loslasset. Der K�nig, sein Bruder und der eurige sind alle drey in einer Art von Bet�ubung; die �brigen trauern ihrentwegen, bis an den Rand mit Kummer und Best�rzung angef�llt; insonderheit derjenige, den ihr den guten alten Gonsalo nanntet. Seine Thr�nen lauffen �ber seinen Bart herab, wie Winter-Tropfen von einem rohrbedekten Dach. Eure Bezauberungen arbeiten so stark auf sie, da�, wenn ihr sie izt sehen solltet, euer Herz gewi� zu Mitleiden erweicht w�rde.

Prospero. Denkst du das, Geist?

Ariel. Das meinige w�rd' es gewi�, wenn ich ein Mensch w�re.

Prospero. Und das meinige auch. Hast du, der du nur Luft bist, eine Ahnung, ein Gef�hl von ihrem Leiden, und ich, einer von ihrer Gattung, der allen ihren Leidenschaften und Bed�rfnissen unterworffen ist, sollte nicht z�rtlicher ger�hrt werden als du? Ob sie mich gleich durch schwere Beleidigungen bis in die Seele verwundet haben, so soll doch mein edleres Selbst �ber meinen Unwillen siegen; es ist mehr W�rde in gro�m�thiger Vergebung als in Rache; da sie bu�fertig sind, so habe ich meine ganze Absicht erreicht; geh, erledige sie, Ariel; ich will meine Bezauberungen brechen, ich will ihre Sinnen wieder herstellen, und sie sollen wieder seyn, was sie gewesen sind.

Ariel. Ich will sie herbeyf�hren, mein Gebieter.

(Er geht ab.)

Zweyte Scene.

Prospero. Ihr Elfen der H�gel, der B�che, stehenden Seen und Hayne, und die auf Sandb�nken mit leichtem Fu� den ebbenden Neptun zur�kstossen, und ihn fliehen, sobald er wiederkehrt; ihr kleinen Feen, die beym Mondschein im Gras die kleinen sauren Ringe machen, von denen das Schaaf nichts abfrezt; und ihr, deren Zeitvertreib ist, Mitternachts-Schw�mme zu machen; die sich freuen den Ruf des feyrlichen Nachtw�chters zu h�ren; durch deren H�lfe (so schwach ihr auch seyd) ich die mitt�gliche Sonne verfinstert, die widerspenstigen Winde herbeygen�thiget, und zwischen der gr�nen See und dem azurnen Gew�lbe heulenden Krieg erregt habe; dem f�rchterlich rasselnden Donner gab ich Feuer, und entwurzelte die Eiche Jupiters mit seinem eignen Keil; ich machte die Grundfeste der Vorgeb�rge zittern, und raufte die Fichte und die Ceder mit den Wurzeln aus: Gr�ber thaten auf meinen Befehl ihren Rachen auf, und liessen ihre Schl�fer hervor, die meine m�chtige Kunst erweket hatte: Aber alle diese rauhe Zauberkunst schw�r ich hier ab, und wenn ich vorher eine himmlische Musik befohlen haben werde, wie ich izt thue, (ihre von jenem magischen Donner gel�hmten Sinnen wieder herzustellen), so will ich meinen Stab zerbrechen, ihn etliche Klafter tief in die Erde vergraben, und tiefer als jemals ein Senkbley fiel, mein Zauberbuch im Meer versenken.

(Man h�rt eine feyrliche Musik.)

Dritte Scene.

(Ariel geht voran; ihm folget Alonso mit den Gebehrden eines von Schwermuth verr�kten Menschen, von Gonsalo gef�hrt, hierauf Sebastiano und Antonio auf gleiche Weise, von Adrian und Francisco geleitet; sie gehen in den Cirkel den Prospero vorher gemacht hat, und bleiben da bezaubert stehen. Indem sie kommen, fangt Prospero an.)

Prospero. Die Magische Gewalt der Harmonie, der besten Arzney f�r eine zerr�ttete Phantasie, heile dein izt unt�chtiges Gehirn--hier bleibt unbeweglich stehn!--Rechtschaffner Gonsalo, ehrw�rdiger Mann, meine Augen schmelzen, von den deinigen ersch�ttert, in sympathetische Tropfen.--Die Bezauberung l��t auf einmal sich auf; und wie der Morgen, die Nacht �berraschend, die Finsterni� hinwegschmelzen macht, so fangen ihre aufgehenden Sinnen an, die bet�ubenden Nebel zu verjagen, die ihre Vernunft umh�llen--O! mein guter Gonsalo, mein wahrer Erhalter, und ein redlicher Diener dessen dem du folgest; ich will, wenn wir wieder zu Hause sind, deine Wohlthaten beydes mit Worten und Werken bezahlen.--Du, Alonso, du bist h�chst grausam mit mir und meiner Tochter umgegangen; dein Bruder war ein Bef�rderer der b�sen That, und wird izt daf�r an Leib und Gem�th gefoltert; Ihr, mein Bruder, der seiner Herrschsucht Natur und Gewissen aufopferte, der mit Sebastian seinen K�nig hier ermorden wollte; ich vergebe dir, so unnat�rlich du bist!--Ihre Denkungskraft f�ngt an zu schwellen, und die wiederkommende Fluth wird in kurzem das Gestade der Vernunft anf�llen, das izt faul und sumpficht ligt--Noch ist nicht einer unter ihnen, der mich ansehen darf, oder mich erkennt--Ariel, hole mir meinen Hut und meinen Degen in der Celle; ich will mich ihnen in derjenigen Gestalt darstellen,

(Ariel geht ab, und kommt in einem Augenblik wieder zur�k.)

worinn sie mich zu Meiland gekannt haben.

William Shakespeare
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