Nicht nur seine kriegrischen Vorzüge, selbst seine Sprache, sein Gang, seine Art sich zu kleiden, seine Manieren, seine Neigungen, sogar seine Laune und sein Humor, waren das Muster, wornach alle andre sich bildeten; ein jeder schäzte sich selbst nur so viel, als er ihm ähnlich zu seyn glaubte. Und diesen Mann, o! dieses Wunder von einem Mann, ihn, der an Verdiensten niemand über sich hatte, ihn ließt ihr allein, mit einer Hand voll Leute, die ganze Gewalt des Kriegs- Gottes auszuhalten; verließt ihn, in Umständen, wo nichts als der Schall von Hot-Spurs Namen fähig war Widerstand zu thun--O! nimmer, nimmer beleidigt seinen abgeschiednen Geist so sehr, daß ihr euer Wort andern besser haltet als ihm! Laßt sie allein: Der Marschall und der Erzbischoff sind stark genug. Hätte mein liebster Harry nur die Hälfte ihrer Anzahl gehabt, so würd' ich diesen Augenblik, an Hot-Spurs Naken hangend, von Monmouths Grabe reden können.
Northumberland. Uebel mög' es euch bekommen, schöne Tochter, daß ihr durch frische Klagen eine alte Wunde wieder aufreisset. Aber ich muß gehen, und mich der Gefahr dort entgegen stellen, oder sie wird mich anderswo selbst suchen, und mich weniger gerüstet finden.
Lady Northumberland. Flieht nach Schottland, bis der Adel und die empörten Gemeinen ihre Stärke ein wenig versucht haben.
Lady Percy. Wenn sie einen Vortheil über den König erhalten haben, dann vereiniget euch mit ihnen, und macht die Starken stärker. Aber, um unsrer Aller willen, laßt sie vorher ihre Kräfte allein versuchen. Das mußt euer Sohn thun, ihr ließ't es geschehen, so wurd' ich eine Wittwe; und nimmer werd' ich Leben genug haben, sein Andenken* aus meinen Augen so lange zu beregnen, bis es zum Gedächtniß meines edeln Gemals an den Himmel empor wachse.
{ed. * Eine Anspielung auf den Rosmarin, der, weil er ein (Cephalicon) ist, in unsers Autors Zeiten (Remembrance), Andenken, genannt wurde.}
Northumberland. Kommt, kommt, geht mit mir hinein; mein Gemüth ist izt wie die Fluth, wenn sie zu ihrer grösten Höhe hinaufgeschwollen ist; sie steht dann still, und fliesset weder vorwärts noch zurük. Ich wünschte herzlich, daß ich mit dem Erzbischoff mich vereinbaren könnte; aber tausend Ursachen halten mich zurük. Ich will mich entschliessen nach Schottland zu gehen, und dort warten, bis Zeit und bessere Umstände meinen Beytritt fordern.
(Sie gehen ab.)
([Die übrigen sechs Scenen in diesem Aufzug, stellen dasjenige vor, was bey dem) Soupé (des Sir John Falstaff in Gesellschaft der liebenswürdigen Dortchen Tear-Scheet und der Frau Wirthin zum Bärenkopf in East-Cheap vorgegangen; die Händel zwischen Falstaff und Pistol, die Verwandlung des Prinzen in einen Keller-Buben, und den zärtlichen Abschied zwischen Dortchen Tear-Scheet und Falstaff, welcher mitten aus seinen Vergnügungen fortgerissen wird, um zur Armee abzugehen. Es sind Scenen aus Bierschenken und Bordelhäusern, in Ostadens Geschmak nach dem Leben gemahlt. Der Genie unsers Autors zeigt sich vielleicht in gewisser Maaße so groß darinn, als in den schönsten Scenen des Hamlet oder des Kauffmanns von Venedig; aber die ekelhafte Unsittlichkeit derselben verbietet uns sie zu übersezen, und würde auf jedem anderm Theater als dem zu London, auch ihre öffentliche Aufführung verbieten.])
Dritter Aufzug.
Erste Scene. (Der Palast in London.) (König Heinrich in seinem Nachtrok, und ein Edelknabe treten auf.)
König Heinrich. Geh, ruffe die Grafen von Surrey und Warwik; aber eh sie kommen, sag ihnen, daß sie diese Briefe lesen, und den Inhalt wol überlegen sollen: Halte dich nicht auf.
(Der Edelknabe geht ab.)
Wie viele tausende von meinen ärmsten Unterthanen schlafen in dieser Stunde! O holder Schlaf, wohlthätige Amme der Natur, womit hab' ich dich erschrekt, daß du meine Auglieder nicht mehr schliessen, meine Sinnen nicht mehr in süsses Vergessen aller Sorgen wiegen willst? Warum ligst du lieber in rauchigen Krippen, auf unbequemen Strohsäken ausgestrekt, und von summenden Nachtfliegen in deinen Schlummer eingezischet, als in den parfümirten Zimmern der Grossen, unter goldnen Thronhimmeln, und von den angenehmsten Symphonien eingewiegt? O warum liegst du bey den Niedrigsten in ekelhaften Betten, und verlässest das königliche Lager wie ein Schilderhäuschen bey einer Sturmgloke? Kanst du, zu oberst auf dem wankenden Mast des Schiff-Jungens Augen versiegeln, und sein Gehirn in der Wiege der ungestümen Woge einwiegen, den Winden ausgesezt, welche die aufrührischen Wellen beym Schopf ergreiffen, ihre ungeheuren Häupter krümmen, und sie unter betäubendem Geschrey an den schlüpfrigen Mast-Tauen aufhängen-- Kanst du, o partheyischer Schlaf, dem nassen See-Jungen in einer so rauhen Stunde Ruhe geben, und versagst sie in der stillesten Nacht, bey allen ersinnlichen Mitteln sie zu befördern, einem Könige? So schlummre dann sanft, glüklicher Bettler! Das Haupt ligt übel, das eine Crone trägt.