Majestät wachen wollte.
König Heinrich. Den Prinzen von Wales? Wo ist er? laßt mich ihn sehen.
Warwik. Hier ist eine Thür offen, er muß da hinausgegangen seyn.
Glocester. Er gieng nicht durch das Zimmer, wo wir warteten.
König Heinrich. Wo ist die Crone? Wer nahm sie von meinem Küssen.
Warwik. Wie wir uns weg begaben, Gnädigster Herr, war sie noch da.
König Heinrich. Der Prinz hat sie also weggenommen? Geht, sucht ihn auf. Ist er so ungeduldig, daß er meinen Schlaf für meinen Tod ansieht? Sucht ihn, Milord von Warwik, und schmählt ihn unverzüglich her.
(Warwik geht ab.)
Dieser Zug seiner Gemüthsart vollendet die Würkung meines Uebels, und beschleunigt meinen lezten Augenblik. Seht, Söhne, was für Dinge ihr seyd! Wie leicht sich die Natur zum Abfall bringen läßt, wenn Gold der Versucher ist! Für diß haben närrische sorgenvolle Väter ihren Schlaf mit Nachsinnen unterbrochen, ihr Gehirn mit Sorgen erschöpft, ihre Gebeine mit Arbeit entkräftet; für diß, für diesen Dank haben sie Tag und Nacht darauf gedacht, ihre Söhne durch Künste und martialische Uebungen zu bilden, für diß haben sie mit so vieler Mühe Gold auf Gold gehäuft. Gleich der Biene flattern wir von Blume zu Blume, saugen ihre besten Düfte aus, und wenn unsre Beine mit Wachs und unsre Lippen mit Honig beladen sind, tragen wir's in den Stok; und wie Bienen, werden wir für unsre Müh getödtet. Bittrer Gedanke für einen sterbenden Vater!-- (Warwik kommt zurück.) Nun, wo ist er? er, der nicht warten kan, bis sein Freund, Krankheit, mit mir fertig ist?
Warwik. Gnädigster Herr, ich fand den Prinzen in dem nächsten Zimmer, mit Thränen der zärtlichsten Wehmuth seine Wangen badend, und in seiner Mine und Stellung eine so tiefe, so rührende Bekümmerniß ausgedrükt, daß die Grausamkeit selbst, bey seinem Anblik, ihren blutigen Dolch mit milden Thränen gewaschen hätte.
König Heinrich. Aber warum nahm er dann die Crone weg? (Der Prinz Heinrich zu den Vorigen.) Seht, hier kommt er. Komm hieher zu mir, Harry; verlaßt das Zimmer, laßt uns allein.
(Die Lords gehen ab.)
Prinz Heinrich. Ich dachte nicht, daß ich Eu. Majestät wieder reden hören würde.
König Heinrich. Dein Wunsch, Harry, war Vater zu diesem Gedanken. Ich lebe zu lange für dich, du wirst es müde. Ist deine Begierde nach meinem leeren Thron so heftig, daß du dich meiner Vorrechte schon anmassest, eh deine Stunde reif ist? O thörichter Jüngling! Du suchst eine Hoheit, die dich zu Grunde richten wird. Warte nur noch ein wenig; die Wolke meiner Würde wird von einem so schwachen Wind noch emporgehalten, daß sie bald zertrieffen wird. Du hast etwas gestohlen, das in wenigen Stunden ohne Verbrechen dein gewesen wäre; in meiner Todesstunde selbst hast du noch das Siegel auf meine Erwartung gedrükt; dein Leben bewies, wie wenig du mich liebest; und du willt, daß ich mit der völligen Ueberzeugung davon sterben soll. Du verbirgst tausend Dolche in deinen Gedanken, die du an deinem steinernen Herzen gewezt hast, eine halbe Stunde zu ermorden, die ich noch zu leben gehabt hätte. Wie? kanst du mich nicht noch eine halbe Stunde ertragen? So geh' dann, und grabe selbst mein Grab, und laß die frölichen Gloken in dein Ohr tönen, daß du gekrönt bist, nicht daß ich todt bin. Mögen alle die Tropfen, die meine Leiche bethauen sollten, zu Balsam-Tropfen werden, dein Haupt zu heiligen; nur bedeke mich vorher mit ein wenig faulem Staub, und gieb den der dir das Leben gab, den Würmern. Stürze meine Staats-Bediente, vernichte meine Verordnungen; denn nun ist eine Zeit gekommen, die aller gesezlichen Ordnung spottet. Heinrich der fünfte ist gekrönt: Auf, Thorheit! Herab, königliches Ansehn! Alle ihr weisen Räthe, hinweg! Und nun versammelt euch aus allen Enden an den Englischen Hof, ihr müßigen Affen; nun, angrenzende Nachbarn, reinigt euch von euerm Unrath! Habt ihr einen Lotterbuben, der schwört? säuft? tanzt? die Nächte durchschwärmt? raubt? mordet? und die ältesten Sünden nach der neuesten Mode begeht? Freut euch, er wird euch nicht länger beunruhigen, in England wird er Dienste, Ehre und Gewalt bekommen; denn Heinrich der fünfte nimmt der gekrümmten Ausgelassenheit den Maulkorb des Zwangs ab, und der rasende Hund hat nun Freyheit, seine Zähne in jeden Unschuldigen einzuhauen.