Die Irrungen

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Abbtissin. Geduldet euch, ich werd' ihn ganz gewiß nicht fortlassen, bis ich meine bewährten Mittel an ihm versucht haben werde. Gesunde Säfte, Tränke und heilige Fürbitten, werden ihn, wie ich hoffe, in den gehörigen Stand wieder herstellen; es ist eine Pflicht der Christlichen Milde, die mein Ordens-Gelübde mir auflegt; begebt euch also weg, und laßt ihn hier bey mir.

Adriana. Ich will nicht fort, und meinen Mann hier lassen; es steht Euer Hochwürden sehr übel an, Mann und Weib von einander trennen zu wollen.

Abbtissin. Sey ruhig und geh', du sollst ihn nicht haben.

Luciana. Beschwert euch bey dem Herzog über diese Gewaltthätigkeit.

(Die Abbtissin geht ab.)

Adriana. Kommt mit mir; ich will ihm zu Füssen fallen, und nicht aufstehen, bis meine Thränen und Bitten Se. Durchlaucht gewonnen haben, in eigner Person hieher zu kommen, und meinen Mann der Abbtißin mit Gewalt abzunehmen.

Kauffmann. Ich seh' an der Uhr, daß es bald fünfe seyn wird; ich bin versichert, der Herzog wird nicht lange mehr verziehen, in Person diesen Weg zu kommen, zu dem melancholischen Thal hinter den Gräben der Abbtey hier, wo die zum Tode Verurtheilten gerichtet zu werden pflegen.

Angelo. Warum dieses?

Kauffmann. Um einen Syracusischen Kauffmann sterben zu sehen, der unglüklicher Weise gegen die Geseze dieser Stadt, hier angeländet ist, und deßwegen den Kopf verliehren muß.

Angelo. Seht, da kommen sie schon; wir wollen der Hinrichtung zusehen.

Luciana (zu Adriana.) Thut einen Fußfall vor dem Herzog, indem er bey der Abtey vorbeygeht.

Dritte Scene. (Der Herzog, und sein Gefolge, Aegeon mit blassem Haupt, der Nachrichter und andre Gerichtsdiener treten auf.)

Herzog. Noch einmal ruft es öffentlich aus; wenn irgend ein Freund die Summe für ihn bezahlen will, so soll er nicht sterben; das ist alles, was wir für ihn thun können.

Adriana. Justiz, Gnädigster Herr, gegen die Abbtißin.

Herzog. Sie ist eine tugendhafte und ehrwürdige Frau; es kan nicht seyn, daß sie dir unrecht gethan haben sollte.

Adriana. Erlaubet mir zu reden, Gnädigster Herr; Antipholis, mein Mann, (den ich auf euere vollgültige Empfehlung zum Herrn von meiner Person und meinem Vermögen machte,) bekam an diesem unglüklichen Tag einen so heftigen Anstoß von Raserey, daß er in seiner Tollheit durch die Strassen lief, und den Leuten in der Stadt Ungemach zufügte, indem er in die Häuser einfiel, und Ringe, Juweelen, und was ihm nur in der Wuth anständig war, mit sich nahm. Ich bemächtigte mich endlich seiner, ließ ihn binden und heimbringen; indeß daß ich den Schaden zu vergüten bemüht war, den er hier und da in der Raserey angerichtet hatte. Allein er riß, ich weiß nicht wie, sich von denen wieder los die ihn hüten sollten, und begegnete uns, er und sein Knecht, der so rasend als sein Herr ist, abermal voller Wuth und mit gezognem Degen auf der Strassen, fiel uns an, und jagte uns fort; wie wir aber in stärkerer Anzahl zurük kamen, um sie zu binden, flohen sie in diese Abbtey, wohin wir ihnen folgten; und hier schlägt die Abbtißin die Thüre vor uns zu, und will weder leiden, daß ihr ihn holen, noch ihn heraus schiken, damit wir ihn forttragen können. Laßt also, Gnädigster Herr, laßt ihn auf euern Befehl heraus gebracht, und zu seiner Wiederherstellung heimgetragen werden.

Herzog. Dein Mann hat mir vor langer Zeit schon in meinen Kriegen gute Dienste gethan; und ich versprach dir, (da du ihn zum Herrn von deinem Bette machtest,) bey meinem fürstlichen Wort, daß ich ihm allezeit so viel Gnade und Gutes beweisen wolle, als ich könne. Geh' jemand von euch, und klopfe an der Pforte an, und heisse die Abbtißin zu mir heraus kommen; ich will diese Sache ausmachen, eh ich weiter gehe.

Vierte Scene. (Ein Bote zu den Vorigen.)

Bote. O Frau, Frau, eilet und rettet euch; mein Herr und sein Diener haben sich beyde losgerissen, die Mägde im Reihen herum geprügelt, und den Doctor gebunden; sie haben ihm den Bart mit Feuerbränden angestekt, und da er aufloderte, gossen sie ganze Kübel voll Mistpfüzen-Wasser über ihn her, um das Haar wieder zu löschen: Mein Herr predigt ihm Geduld, und unterdessen zwikt ihn sein Diener mit einer Scheere, daß er närrisch werden möchte; wenn ihm nicht augenbliklich jemand zu Hülfe geschikt wird, so bin ich gewiß, sie werden den armen Teufelsbanner ums Leben bringen.

William Shakespeare
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