Pyramus. Ein' Stimm ich sehen tu; ich will zur Spalt und schauen, Ob ich nicht hören kann meiner Thisbe Antlitz klar. Thisbe!

Thisbe. Dies ist mein Schatz, mein Liebchen ist's, fürwahr!

Pyramus. Denk was du willst, ich bin's; du kannst mir sicher trauen, Und gleich Limander bin ich treu in meiner Pflicht.

Thisbe. Und ich gleich Helena, bis mich der Tod ersticht.

Pyramus. So treu war Schefelus einst seiner Procrus nicht.

Thisbe. Wie Procrus Schef'lus liebt', lieb ich dein Angesicht.

Pyramus. O küß mich durch das Loch von dieser garstgen Wand!

Thisbe. Mein Kuß trifft nur das Loch, nicht deiner Lippen Rand.

Pyramus. Willst du bei Nickels Grab heut nacht mich treffen an?

Thisbe. Sei's lebend oder tot, ich komme, wenn ich kann.

Wand. So hab ich Wand nunmehr mein Part gemachet gut, Und nun sich also Wand hinwegbegeben tut.

(Wand, Pyramus und Thisbe ab.)

Theseus. Nun ist also die Wand zwischen den beiden Nachbarn nieder.

Demetrius. Das ist nicht mehr als billig, gnädiger Herr, wenn Wände Ohren haben.

Hippolyta. Dies ist das einfältigste Zeug, das ich jemals hörte.

Theseus. Das Beste in dieser Art ist nur Schattenspiel, und das Schlechteste ist nichts Schlechteres, wenn die Einbildungskraft nachhilft.

Hippolyta. Das muß denn Eure Einbildungskraft tun und nicht die ihrige.

Theseus. Wenn wir uns nichts Schlechteres von ihnen einbilden als sie selbst, so mögen sie für vortreffliche Leute gelten. Hier kommen zwei edle Tiere herein, ein Mond und ein Löwe.

(Löwe und Mondschein treten auf.)

Löwe. Ihr, Fräulein, deren Herz fürchtet die kleinste Maus, Die in monströser Gestalt tut auf dem Boden schweben, Mögt itzo zweifelsohn erzittern und erbeben, Wenn Löwe, rauh von Wut, läßt sein Gebrüll heraus. So wisset denn, daß ich Hans Schnock der Schreiner bin, Kein böser Löw fürwahr, noch eines Löwen Weib; Denn käm ich als ein Löw und hätte Harm im Sinn, So daurte, meiner Treu, mich mein gesunder Leib.

Theseus. Eine sehr höfliche Bestie und sehr gewissenhaft.

Demetrius. Das Beste von Bestien, gnädiger Herr, was ich je gesehn habe.

Lysander. Dieser Löwe ist ein rechter Fuchs an Herzhaftigkeit.

Theseus. Wahrhaftig, und eine Gans an Klugheit.

Demetrius. Nicht so, gnädiger Herr, denn seine Herzhaftigkeit kann sich seiner Klugheit nicht bemeistern wie der Fuchs einer Gans.

Theseus. Ich bin gewiß, seine Klugheit kann sich seiner Herzhaftigkeit nicht bemeistern; denn eine Gans bemeistert sich keines Fuchses. Wohl! überlaßt es seiner Klugheit und laßt uns auf den Mond horchen.

Mond. Den wohlgehörnten Mond d'Latern z'erkennen gibt.

Demetrius. Er sollte die Hörner auf dem Kopfe tragen.

Theseus. Er ist ein Vollmond, seine Hörner stecken unsichtbar in der Scheibe.

Mond. Den wohlgehörnten Mond d'Latern z'erkennen gibt; Ich selbst den Mann im Mond, wofern es euch beliebt.

Theseus. Das ist noch der größte Verstoß unter allen: der Mann sollte in die Laterne gesteckt werden; wie ist er sonst der Mann im Monde?

Demetrius. Er darf es nicht wegen des Lichtes. Er würde es in Feuer und Flammen setzen.

Hippolyta. Ich bin diesen Mond satt; ich wollte, er wechselte.

Theseus. Das kleine Licht seiner Vernunft zeigt, daß er im Abnehmen ist. Aber doch aus Höflichkeit und der Ordnung wegen müssen wir die Zeit ausdauern.

Lysander. Sprich weiter, Mond!

Mond. Alles, was ich zu sagen habe, ist, euch zu melden, daß diese Laterne der Mond ist; ich der Mann im Monde; dieser Dornbusch mein Dornbusch; und dieser Hund mein Hund.

Demetrius. Alle diese Dinge sollten also in der Laterne sein, denn sie sind im Monde. Doch still! hier kommt Thisbe.

(Thisbe tritt auf.)

Thisbe. Dies ist ja Nickels Grab; wo ist mein Liebchen denn?

Löwe. Oh!

(Der Löwe brüllt, Thisbe läuft davon.)

Demetrius. Gut gebrüllt, Löwe!

Theseus. Gut gelaufen, Thisbe!

Hippolyta. Gut geschienen, Mond!--In der Tat, der Mond scheint mit vielem Anstande.

(Der Löwe zerreißt den Mantel der Thisbe.)

Theseus. Gut

William Shakespeare
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