Denn warum sollen wir etwas, wovon wir wissen daß es seyn muß, und daß es so gemein ist als irgend eine von den alltäglichen Sachen die immer vor unsern Sinnen schweben, aus verkehrtem kindischem Eigensinn, zu Herzen nehmen? Fy! Es ist ein Vergehen gegen den Himmel, ein Vergehen gegen den Gestorbnen, ein Vergehen gegen die Natur; höchst ungereimt in den Augen der Vernunft, welche kein gemeineres Thema kennt, als den Tod von Vätern, und von der ersten Leiche bis zu dem der eben izt gestorben ist, uns immer zugeruffen hat, es müsse so seyn. Wir bitten euch also, werfet diese zu nichts dienende Traurigkeit in sein Grab, und sehet künftig uns als euern Vater an; denn die Welt soll es wissen, daß ihr unserm Thron der nächste seyd, und daß die Liebe, die der zärtlichste Vater zu seinem Sohne tragen kan, nicht grösser ist als diejenige, welche wir euch gewiedmet haben. Was euer Vorhaben, nach der Schule zu Wittenberg zurük zu gehen betrift, so stimmt es gar nicht mit unsern Wünschen ein, und wir bitten euch davon abzustehen, und unter unsern liebesvollen Augen hier zu bleiben, unser erster Höfling, unser Neffe, und unser Sohn.
Königin. Laß deine Mutter keine Fehlbitte thun, Hamlet; ich bitte dich, bleibe bey uns, geh nicht nach Wittenberg.
Hamlet. Ich gehorche euch mit dem besten Willen, Madame.
König. Nun, das ist eine schöne liebreiche Antwort; seyd wie wir selbst in Dännemark! Kommet, Madame; diese gefällige und ungezwungne Einstimmung Hamlets ist mir so angenehm, daß dieser Tag ein festlicher Tag der Freude seyn soll--Kommt, folget mir--
(Sie gehen ab.)
Dritte Scene.
Hamlet (bleibt allein.) O daß dieses allzu--allzu--feste Fleisch schmelzen und in Thränen aufgelöst zerrinnen möchte! Oder daß Er, der Immerdaurende, seinen Donner nicht gegen den Selbst-Mord gerichtet hätte! O Gott! o Gott! Wie ekelhaft, schaal, abgestanden und ungeschmakt kommen mir alle Freuden dieser Welt vor! Fy, fy, mir graut davor! Es ist ein ungesäuberter Garten, wo alles in Saamen schießt, und mit Unkraut und Disteln überwachsen ist. Daß es dahin gekommen seyn soll! Nur zween Monate todt! Nein, nicht einmal so viel; nicht so viel--Ein so vortrefflicher König--gegen diesen, wie Apollo gegen einen Satyr: Der meine Mutter so zärtlich liebte, daß kein rauhes Lüftchen sie anwehen durfte--Himmel und Erde! Warum muß mir mein Gedächtniß so getreu seyn? Wie, hieng sie nicht an ihm, als ob selbst die Nahrung ihrer Zärtlichkeit ihren Hunger vermehre?--und doch, binnen einem Monat--Ich will, ich darf nicht dran denken--Gebrechlichkeit, dein Nam' ist Weib! Ein kleiner Monat! Eh noch die Schuhe abgetragen waren, in denen sie meines armen Vaters Leiche folgte, gleich der Niobe lauter Thränen--Wie? Sie--eben sie--(o Himmel! ein vernunftloses Thier würde länger getraurt haben) mit meinem Oheim verheyrathet--Meines Vaters Bruder; aber meinem Vater gerade so gleich als ich dem Hercules. Binnen einem Monat!--Eh noch das Salz ihrer heuchelnden Thränen ihre rothen Augen zu jüken aufgehört, verheyrathet!--So eilfertig, und in ein blutschänderisches Bette!-- Nein, es ist nichts Gutes, und kan zu nichts Gutem ausschlagen. Aber--o brich du, mein Herz, denn meine Zunge muß ich schweigen heissen.
Vierte Scene. (Horatio, Bernardo und Marcellus treten auf.)
Horatio. Heil, Gnädigster Prinz!
Hamlet. Ich erfreue mich, euch wohl zu sehen--Ihr seyd Horatio, oder ich vergesse mich selbst.
Horatio. Ich bin Horatio, Gnädiger Herr, und euer demüthiger Diener auf ewig.
Hamlet. Sir, mein guter Freund; das soll künftig das Verhältniß unter uns seyn. Und was führt euch von Wittenberg hieher, Horatio?--Ist das nicht Marcellus? --
Marcellus. Ja, Gnädigster Herr.
Hamlet. Ich bin erfreut euch zu sehen; guten Morgen, Sir
(zu Bernardo)
--Aber, im Ernste, Horatio, was bringt euch von Wittenberg hieher?
Horatio. Ein Anstoß von Landstreicherey, mein Gnädigster Herr.
Hamlet. Das möchte ich euern Feind nicht sagen hören, auch sollt ihr meinen Ohren die Gewalt nicht anthun, sie zu Zeugen einer solchen Aussage gegen euch selbst zu machen.