Schauspieler. Was für eine Rede, Gnädiger Herr?
Hamlet. Ich hörte dich einmal eine declamieren, aber auf die Schaubühne kam sie nicht; wenigstens nicht mehr als einmal; denn das Stük, so viel ich mich erinnere, gefiel dem grossen Hauffen nicht; es war Stör- Rogen (Caviar) für den Pöbel; aber, wie ich und andre, deren Urtheil ich in solchen Sachen traue, es ansahen, war es ein vortreffliches Stük; viel Einfalt und doch viel Kunst in der Anlage des Plans, und die Scenen wol disponiert; nichts affectiertes in der Schreibart; kein Salz, (sagte jemand) in den Worten, um der Mattigkeit der Gedanken nachzuhelfen; keine Redensarten noch Schwünge, worinn man statt der redenden Person den sich selbst gefallenden Autor hört; kurz, ein natürlicher, ungeschminkter Styl, wie der Kenner sagte. Ich erinnre mich sonderheitlich einer Rede, die mir vorzüglich gefiel; es war in einem Dialoge des Äneas mit der Dido, die Stelle, wo er von Priams Tochter sprach. Wenn ihr's noch im Gedächtniß habt, so fangt bey der Zeile an--Laßt sehen, laßt sehen--"Der rauhe Pyrrhus, gleich dem Hyrcanischen Tyger"-- Nein, so heißt es nicht--es fangt mit dem Pyrrhus an--"Der rauhe Pyrrhus, dessen Rüstung, schwarz wie sein unmenschliches Herz, jener Nacht glich, da er auf Verderben laurend, im Bauch des fatalen Pferdes verborgen lag, hatte nun die furchtbare Schwärze seiner Waffen mit einer noch gräßlichern Farbe beflekt; nun ist er von Kopf zu Fuß ganz blutroth; entsezlich besprizt mit Blut von Vätern, Müttern, Söhnen, Töchtern, in die düstre Flamme gehüllt, deren verdammter Schein den Weg schnöder Mörder beleuchtet--So von Wuth und Hize lechzend, so mit gestoktem Blut überzogen, sucht mit funkelnden Augen der höllische Pyrrhus den alten Anherrn Priam auf."
Polonius. Bey Gott, Gnädiger Herr, das war gut declamirt; mit einem guten Accent, und mit einer geschikten Action.
1. Schauspieler. Er findet ihn, von Griechen umringt, die er aber mit zu kurzgeführten Streichen, zurükzutreiben sucht. Sein altes Schwerd, ungehorsam dem kraftlosen Arm, führt lauter unschädliche Hiebe und bleibt liegen, wohin es fällt--welch ein Gegner, die Wuth des daherstürzenden Pyrrhus aufzuhalten, der Wütrich hohlt zu einem tödtlichen Streich weit aus; aber von dem blossen Zischen seines blutigen Schwerds fällt der nervenlose Vater zu Boden. Das gefühllose Ilion selbst schien diesen Streich zu fühlen, seine flammenden Thürme stürzten ein, und der entsezliche Ruin macht sogar den Pyrrhus stuzen; denn, seht, sein Schwerd, im Begriff, auf das milchweisse Haupt des ehrwürdigen Priams herab zu fallen, blieb, so schien es, in der Luft steken; Pyrrhus stuhnd, wie ein gemahlter Tyrann, unthätig, dem Unentschloßnen gleich, der zwischen seinem Willen und dem Gegenstand im Gleichgewicht schwebt; aber, so, wie wir oft wenn ein Sturm bevorsteht, ein tiefes Schweigen durch die Himmel wahrnehmen das Rad der Natur scheint zu stehen, die trozigen Winde schweigen, und unter ihnen liegt der Erdkreis in banger Todes-Stille; auf einmal stürzt der krachende Donner, Verderben auf die Gegend herab: So feurt den unmenschlichen Pyrrhus, nach dieser kleinen Pause, ein plözlicher Sturm von Rachsucht wieder zur blutigen Arbeit an: Gefühlloser fielen nie die Hämmer der Cyclopen auf die glühende Masse herab, woraus sie des Kriegs- Gottes undurchdringliche Waffen schmieden; als nun des Pyrrhus Schwerdt auf den hülflosen Greisen fällt--Hinaus, hinaus, du Meze, Fortuna! O ihr Götter alle, vereiniget euch, stehet alle zusammen, sie ihrer Gewalt zu berauben: Zerbrechet alle Speichen und Felgen ihres Rades, und rollet die zirkelnde Nabe von dem Hügel des Himmels bis in den Abgrund der Hölle hinab!
Polonius. Das ist zu lang.
Hamlet. Es soll mit euerm Bart zum Barbier--Ich bitte dich, fahre fort; er muß Wortspiele oder schmuzige Mährchen haben, oder er schläft ein-- Weiter fort, zur Hecuba--
1. Schauspieler. Aber wer, o wer izt die vermummte Königin gesehn hätte--
Hamlet. Die vermummte Königin?
Polonius. Das ist gut, vermummte Königin, ist gut.