Das war euer Gemahl--Seht nun hieher; hier ist euer Gemahl, er, der wie der Mihlthau eine gesunde Ähre, seinen Bruder vergiftete. Habt ihr Augen? Konntet ihr die gute Weyde auf diesem schönen Berge verlassen, um euch in diesem Morast zu wälzen? Ha! habt ihr Augen? Ihr könnt es nicht Liebe heissen; denn, in euerm Alter, ist das Blut zahm, und läßt sich von der Vernunft leiten; und welche Vernunft würde von (diesem) zu (diesem) übergehen? Sinnlichkeit habt ihr, das ist gewiß; sonst könntet ihr keine Vorstellung haben; aber diese Sinnen sind vom Schlage getroffen: Wahnwiz könnte sich nicht so sehr verirrt haben; so toll wird niemand, daß ihm nicht noch immer so viel Unterscheidungs-Kraft übrig bleibe, eine solche Verschiedenheit wahrzunehmen--Was für ein Teufel hat euch denn die Augen verbunden, wie ihr diese Wahl machtet? Augen ohne Gefühl, Gefühl ohne Augen, Ohren ohne Hände oder Augen, oder nur ein kranker Rest eines einzigen unverblendeten Sinn's hätte sich nicht so verfehlen können--O Schaam! wo ist deine Röthe? Rebellische Hölle, wenn du in den Gebeinen einer Matrone einen solchen Aufruhr machst, so laß immer die Keuschheit der Jugend Wachs seyn, und in ihrem eignen Feuer wegschmelzen. Ruft keine Schande aus, wenn der ungestüme Trieb der Jugend-Hize in Ausschweiffung auflodert, da der Frost selbst eben so ungezähmt brennt, und Vernunft die Kupplerin schnöder Lüste wird.

Königin. O Hamlet, halte ein! Du drehst meine Augen in meine innerste Seele, und da seh ich so schwarze, so häßliche Fleken, daß sie nimmermehr ihre Farbe verliehren werden.

Hamlet. Gewiß nicht, so lang ihr fähig seyd in dem stinkenden Schweiß eines blutschändrischen Bettes zu leben, der Liebe in einem unflätigen Schwein-Stalle zu pflegen--

Königin. O höre auf; diese Reden dringen wie Dolche in meine Ohren--Nichts mehr, lieber Hamlet.

Hamlet. Ein Mörder, und ein schlechter Kerl oben drauf!--Ein Sclave, der nicht der zwanzigste Theil eines Zehentheils von euerm ersten Herrn ist, der Pikelhäring unter den Königen, ein feiger Schurke und Gaudieb, der die Krone von einem Küssen wegstahl, und sie in seinen Schnapsak stekte--

Königin. Genug, genug--

(Der Geist läßt sich sehen.)

Hamlet. Ein zusammengeflikter Lumpen-König--Himmel!

(Er starrt mit Entsezen auf.)

umschwebet mich mit euern Flügeln, ihr himmlischen Wächter!--Was will deine ehrwürdige Erscheinung?

Königin. O weh! er ist wahnsinnig--

Hamlet. Kommt ihr nicht, euern trägen Sohn zu beschelten, der die Zeit in unthätigem Gram verliehrend, das grosse Werk, das ihr ihm anbefohlen habt, liegen läßt?

Geist. Vergiß es nicht: Dieser Besuch hat sonst keine Absicht, als deinen fast stumpfen Vorsaz zu wezen. Aber, siehe! Erstaunen ergreift deine Mutter! O tritt zwischen sie und ihre kämpfende Seele: In den schwächsten Körpern wirkt die Einbildung am stärksten. Rede mit ihr, Hamlet.

Hamlet. Wie steht es um euch, Gnädige Frau?

Königin. O weh! wie steht es um dich? daß du deine Augen so auf einen Ort ohne Gegenstand heftest, und mit der unkörperlichen Luft Gespräche führst? Deine Geister schauen wild aus deinen Augen heraus, und gleich schläfernden Soldaten bey einem plözlichen Alarm, starren deine Haare, wie beseelt, empor, und stehen unbeweglich auf ihren Enden--O mein lieber Sohn, sprize kalte Geduld auf das Feuer deiner Leidenschaft--Was schauest du so an?

Hamlet. Ihn! Ihn selbst!--Seht ihr den düstern Schein, den er von sich giebt? Seine Gestalt und seine Sache zusammengenommen, könnten Steine in Bewegung und Leidenschaft sezen--O sieh mich nicht an, oder dieser traurige Blik verwandelt meinen frömmern Vorsaz in Wuth-- und macht hier Blut für Thränen fliessen.

Königin. Mit wem redet ihr?

Hamlet. Seht ihr denn nichts hier?

(Er zeigt mit dem Finger auf den Geist.)

Königin. Nicht das geringste; und doch seh ich alles was ist.

Hamlet. Hört ihr auch nichts?

Königin. Nein, nichts als uns beyde.

Hamlet. Wie, seht nur dorthin! Seht, wie es hinweg gleitet! Mein Vater in seiner leibhaften Gestalt! Seht, eben izt geht es durch die Thüre hinaus.

William Shakespeare
Classic Literature Library

All Pages of This Book