Julius Cäsar

Page 08

Brutus. Geh wieder in dein Bett; es ist noch Nacht. Ist morgen nicht des Märzen Idus, Knabe?

Lucius. Ich weiß nicht, Herr.

Brutus. Such im Kalender denn, und sag es mir.

Lucius. Das will ich, Herr. (Ab.)

Brutus. Die Ausdünstungen, schwirrend in der Luft, Gewähren Licht genug, dabei zu lesen. (Er öffnet den Brief und liest.) "Brutus, du schläfst. Erwach und sieh dich selbst! Soll Rom?--Sprich, schlage, stelle her! Brutus, du schläfst. Erwache!--" Oft hat man schon dergleichen Aufgebote Mir in den Weg gestreut. "Soll Rom?"--So muß ich es ergänzen: "Soll Rom vor einem Manne beben?" Wie? Mein Ahnherr trieb einst von den Straßen Roms Tarquin hinweg, als er ein König hieß. "Sprich, schlage, stelle her!" Werd ich zu sprechen, Zu schlagen angemahnt? O Rom, ich schwöre, Wenn nur die Herstellung erfolgt, empfängst du Dein ganz Begehren von der Hand des Brutus!

Lucius kommt zurück.

Lucius. Herr, vierzehn Tage sind vom März verstrichen.

(Man klopft draußen.)

Brutus. 's ist gut. Geh an die Pforte; jemand klopft. (Lucius ab.) Seit Cassius mich spornte gegen Cäsar, Schlief ich nicht mehr. Bis zur Vollführung einer furchtbarn Tat, Vom ersten Antrieb, ist die Zwischenzeit Wie ein Phantom, ein grauenvoller Traum. Der Genius und die sterblichen Organe Sind dann im Rat vereint; und die Verfassung Des Menschen, wie ein kleines Königreich, Erleidet dann den Zustand der Empörung.

Lucius kommt zurück.

Lucius. Herr, Euer Bruder Cassius wartet draußen; Er wünschet Euch zu sehn.

Brutus. Ist er allein?

Lucius. Nein, es sind mehr noch bei ihm.

Brutus. Kennst du sie?

Lucius. Nein, Herr, sie tragen eingedrückt die Hüte Und das Gesicht im Mantel halb begraben, Daß ich durchaus sie nicht erkennen kann An irgendeinem Zuge.

Brutus. Laß sie sein. (Lucius ab.) Es sind die Bundesbrüder. O Verschwörung! Du schämst dich, die verdächtge Stirn bei Nacht Zu zeigen, wann das Bös' am freisten ist? O denn, bei Tag, wo willst du eine Höhle Entdecken, dunkel gnug es zu verlarven, Dein schnödes Antlitz?--Verschwörung, suche keine! In Lächeln hüll es und in Freundlichkeit! Denn trätst du auf in angeborner Bildung, So wär der Erebus nicht finster gnug, Vor Argwohn dich zu schützen.

Cassius, Casca, Decius, Metellus Cimber und Trebonius treten auf.

Cassius. Sind wir gelegen? Guten Morgen, Brutus! Ich fürchte, daß wie Eure Ruhe stören.

Brutus. Längst war ich auf und wach die ganze Nacht. Kenn ich die Männer, welche mit Euch kommen?

Cassius. Ja, jeden aus der Zahl; und keiner hier, Der Euch nicht hoch hält, und ein jeder wünscht, Ihr hättet nur die Meinung von Euch selbst, Die jeder edle Römer von Euch hegt. Dies ist Trebonius.

Brutus. Er ist willkommen.

Cassius. Dies Decius Brutus.

Brutus. Er ist auch willkommen.

Cassius. Dies Casca, dies Cinna, und dies Metellus Cimber.

Brutus. Willkommen alle! Was stellen sich für wache Sorgen zwischen Die Nacht und eure Augen?

Cassius. Auf ein Wort, Wenn's Euch beliebt. (Sie reden leise miteinander.)

Decius. Hier liegt der Ost: bricht da der Tag nicht an?

Casca. Nein.

Cinna. Doch, um Verzeihung! und die grauen Streifen, Die das Gewölk durchziehn, sind Tagesboten.

Casca. Ihr sollt gestehn, daß ihr euch beide trügt. Die Sonn erscheint hier, wo mein Degen hinweist; Das ist ein gut Teil weiter hin nach Süden, Wenn ihr die junge Jahreszeit erwägt. Zwei Monde noch, und höher gegen Norden Steigt ihre Flamm empor, und grade hier Steht hinterm Kapitol der hohe Ost.

Brutus. Gebt eure Hand mir, einer nach dem andern.

Cassius. Und lasset uns beschwören den Entschluß.

Brutus. Nein, keinen Eid! Wenn nicht der Menschen Antlitz, Das innre Seelenleid, der Zeit Verfall-- Sind diese Gründe schwach, so brecht nur auf, Und jeder fort zu seinem trägen Bett! Laßt frechgesinnte Tyrannei dann schalten, Bis jeder nach dem Lose fällt. Doch tragen Sie Feuer gnug in sich, wie offenbar, Um Feige zu entflammen und mit Mut Des Weibes schmelzendes Gemüt zu stählen: O dann, Mitbürger! welchen andern Sporn Als unsre Sache braucht es, uns zu stacheln Zur Herstellung? Was für Gewähr, als diese: Verschwiegne Römer, die das Wort gesprochen, Und nicht zurückziehn? Welchen andern Eid, Als Redlichkeit mit Redlichkeit im Bund, Daß dies gescheh, wo nicht, dafür zu sterben? Laßt Priester, Memmen, listge Männer schwören, Verdorrte Greis und solche Jammerseelen, Die für das Unrecht danken; schwören laßt Bei bösen Händeln Volk, dem man nicht traut. Entehrt nicht so den Gleichmut unsrer Handlung Und unsern unbezwinglich festen Sinn, Zu denken, unsre Sache, unsre Tat Brauch einen Eid; da jeder Tropfe Bluts, Der edel fließt in jedes Römers Adern, Sich seines echten Stamms verlustig macht, Wenn er das kleinste Teilchen nur verletzt Von irgendeinem Worte, das er gab.

William Shakespeare
Classic Literature Library

All Pages of This Book