Julius Cäsar

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Portia tritt auf.

Portia. Mein Gatte! Brutus!

Brutus. Was wollt Ihr, Portia? warum steht Ihr auf? Es dient Euch nicht, die zärtliche Natur Dem rauhen kalten Morgen zu vertraun.

Portia. Euch gleichfalls nicht. Unfreundlich stahlt Ihr, Brutus, Von meinem Bett Euch; und beim Nachtmahl gestern Erhobt Ihr plötzlich Euch und gingt umher, Sinnend und seufzend mit verschränkten Armen. Und wenn ich Euch befragte, was es sei, So starrtet Ihr mich an mit finstern Blicken. Ich drang in Euch, da riebt Ihr Euch die Stirn Und stampftet ungeduldig mit dem Fuß; Doch hielt ich an, doch gabt Ihr keine Rede Und winktet mit der Hand unwillig weg, Damit ich Euch verließ. Ich tat es auch, Besorgt, die Ungeduld noch zu verstärken, Die schon zu sehr entflammt schien, und zugleich Mir schmeichelnd, nur von Laune rühr es her, Die ihre Stunden hat bei jedem Mann. Nicht essen, reden, schlafen läßt es Euch; Und könnt es Eure Bildung so entstellen, Als es sich Eurer Fassung hat bemeistert, So kennt ich Euch nicht mehr. Mein teurer Gatte, Teilt mir die Ursach Eures Kummers mit.

Brutus. Ich bin nicht recht gesund, und das ist alles.

Portia. Brutus ist weise; wär er nicht gesund, Er nähm die Mittel wahr, um es zu werden.

Brutus. Das tu ich, gute Portia; geh zu Bett.

Portia. Ist Brutus krank? und ist es heilsam, so Entblößt umherzugehn und einzusaugen Den Dunst des Morgens? Wie, ist Brutus krank, Und schleicht er vom gesunden Bett sich weg, Der schnöden Ansteckung der Nacht zu trotzen? Und reizet er die böse Fieberluft, Sein Übel noch zu mehren?--Nein, mein Brutus, Ihr tragt ein krankes Übel im Gemüt, Wovon, nach meiner Stelle Recht und Würde, Ich wissen sollte; und auf meinen Knien Fleh ich bei meiner einst gepriesnen Schönheit, Bei allen Euren Liebesschwüren, ja, Bei jenem großen Schwur, durch welchen wir Einander einverleibt und eins nur sind: Enthüllt mir, Eurer Hälfte, Eurem Selbst, Was Euch bekümmert, was zu Nacht für Männer Euch zugesprochen; denn es waren hier Sechs oder sieben, die ihr Antlitz selbst Der Finsternis verbargen.

Brutus. O kniet nicht, liebe Portia.

Portia. Ich braucht es nicht, wärt Ihr mein lieber Brutus. Ist's im Vertrag der Ehe, sagt mir, Brutus, Bedungen, kein Geheimnis sollt ich wissen, Das Euch gehört? Und bin ich Euer Selbst Nur gleichsam, mit gewissen Einschränkungen? Beim Mahl um Euch zu sein, Eur Bett zu teilen, Auch wohl mit Euch zu sprechen? Wohn ich denn Nur in der Vorstadt Eurer Zuneigung? Ist es nur das, so ist ja Portia Des Brutus Buhle nur und nicht sein Weib.

Brutus. Ihr seid mein echtes, ehrenwertes Weib, So teuer mir als wie die Purpurtropfen, Die um mein trauernd Herz sich drängen.

Portia. Wenn dem so wär, so wüßt ich dies Geheimnis. Ich bin ein Weib, gesteh ich, aber doch Ein Weib, das Brutus zur Gemahlin nahm. Ich bin ein Weib, gesteh ich, aber doch Ein Weib von gutem Rufe, Catos Tochter. Denkt Ihr, ich sei so schwach wie mein Geschlecht, Aus solchem Stamm erzeugt und so vermählt? Sagt das Geheimnis mir: ich will's bewahren, Ich habe meine Stärke hart erprüft, Freiwillig eine Wunde mir versetzend Am Schenkel hier; ertrüg ich das geduldig Und ein Geheimnis meines Gatten nicht?

Brutus. Ihr Götter, macht mich wert des edlen Weibes! (Man klopft draußen.) Horch! horch! man klopft; geh eine Weil hinein, Und unverzüglich soll dein Busen teilen, Was noch mein Herz verschließt. Mein ganzes Bündnis will ich dir enthüllen Und meiner finstern Stirne Zeichenschrift. Verlaß mich schnell. (Portia ab.)

Lucius und Ligarius kommen.

Brutus. Wer klopft denn, Lucius?

Lucius. Hier ist ein Kranker, der Euch sprechen will.

Brutus. Ligarius ist's, von dem Metellus sprach. Du, tritt beiseit.--Cajus Ligarius, wie?

Ligarius. Nehmt einen Morgengruß von matter Zunge.

Brutus. O welche Zeit erwählt Ihr, wackrer Cajus, Ein Tuch zu tragen! Wärt Ihr doch nicht krank!

Ligarius. Ich bin nicht krank, hat irgendeine Tat, Des Namens Ehre würdig, Brutus vor.

Brutus. Solch eine Tat,

William Shakespeare
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