Julius Cäsar

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Cinna. Casca, Ihr müßt zuerst den Arm erheben.

Cäsar. Sind alle da? Was für Beschwerden gibt's, Die Cäsar heben muß und sein Senat?

Metellus (niederkniend). Glorreicher, mächtigster, erhabner Cäsar! Metellus Cimber wirft vor deinen Sitz Ein Herz voll Demut nieder.

Cäsar. Cimber, hör, Ich muß zuvor dir kommen. Dieses Kriechen, Dies knechtische Verbeugen könnte wohl Gemeiner Menschen Blut in Feuer setzen Und vorbestimmte Wahl, gefaßten Schluß Zum Kinderwillen machen. Sei nicht töricht Und denk, so leicht empört sei Cäsars Blut, Um aufzutaun von seiner echten Kraft Durch das, was Narrn erweicht: durch süße Worte, Gekrümmtes Bücken, hündisches Geschmeichel. Dein Bruder ist verbannt durch einen Spruch; Wenn du für ihn dich bückst und flehst und schmeichelst, So stoß ich dich wie einen Hund hinweg. Wiß, Cäsar tut kein Unrecht; ohne Gründe Befriedigt man ihn nicht.

Metellus. Gibt's keine Stimme, würdiger als meine, Die süßer tön im Ohr des großen Cäsar, Für des verbannten Bruders Wiederkehr?

Brutus. Ich küsse deine Hand, doch nicht als Schmeichler, Und bitte, Cäsar, daß dem Publius Cimber Die Rückberufung gleich bewilligt werde.

Cäsar. Wie? Brutus!

Cassius. Gnade, Cäsar! Cäsar, Gnade! Auch Cassius fällt tief zu Füßen dir, Begnadigung für Cimber zu erbitten.

Cäsar. Ich ließe wohl mich rühren, glich' ich euch; Mich rührten Bitten, bät ich, um zu rühren. Doch ich bin standhaft wie des Nordens Stern, Des unverrückte, ewig stete Art Nicht ihresgleichen hat am Firmament. Der Himmel prangt mit Funken ohne Zahl, Und Feuer sind sie all' und jeder leuchtet; Doch einer nur behauptet seinen Stand. So in der Welt auch; sie ist voll von Menschen, Und Menschen sind empfindlich, Fleisch und Blut; Doch in der Menge weiß ich einen nur, Der unbesiegbar seinen Platz bewahrt, Vorn Andrang unbewegt; daß ich der bin, Auch hierin laßt es mich ein wenig zeigen, Daß ich auf Cimbers Banne fest bestand Und drauf besteh, daß er im Banne bleibe.

Cinna. O Cäsar!

Cäsar. Fort, sag ich! Willst du den Olymp versetzen?

Decius. Erhabner Cäsar!--

Cäsar. Kniet nicht Brutus auch umsonst?

Casca. Dann, Hände, sprecht für mich!

(Casca sticht Cäsarn mit dem Dolch in den Nacken. Cäsar fällt ihm in den Arm. Er wird alsdann von verschiednen andern Verschwornen und zuletzt von Marcus Brutus mit Dolchen durchstochen.)

Cäsar. Brutus, auch du?--So falle, Cäsar!

(Er stirbt. Die Senatoren und das Volk fliehen bestürzt.)

Cinna. Befreiung! Freiheit! Die Tyrannei ist tot! Lauft fort! verkündigt! ruft es durch die Gassen!

Cassius. Hin zu der Rednerbühne! Rufet aus: "Befreiung! Freiheit! Wiederherstellung!"

Brutus. Seid nicht erschrocken, Volk und Senatoren! Flieht nicht! Steht still! Die Ehrsucht hat gebüßt.

Casca. Geht auf die Rednerbühne, Brutus.

Decius. Ihr, Cassius, auch.

Brutus. Wo ist Publius?

Cinna. Hier, ganz betroffen über diesen Aufruhr.

Metellus. Steht dicht beisammen, wenn ein Freund des Cäsar Etwa--

Brutus. Sprecht nicht von Stehen!--Publius, getrost! Wir haben nicht im Sinn, Euch Leid zu tun, Auch keinem Römer sonst: sagt ihnen das.

Cassius. Und geht nur, Publius, damit das Volk, Das uns bestürmt, nicht Euer Alter kränke.

Brutus. Tut das; und niemand steh für diese Tat Als wir, die Täter.

Trebonius kommt zurück.

Cassius. Wo ist Mark Anton?

Trebonius. Er floh bestürzt nach Haus, und Männer, Weiber Und Kinder blicken starr und schrein und laufen, Als wär der jüngste Tag.

Brutus. Schicksal! wir wollen sehn, was dir geliebt. Wir wissen, daß wir sterben werden; Frist Und Zeitgewinn nur ist der Menschen Trachten.

Cassius. Ja, wer dem Leben zwanzig Jahre raubt, Der raubt der Todesfurcht so viele Jahre.

Brutus. Gesteht das ein, und Wohltat ist der Tod. So sind wir Cäsars Freunde, die wir ihm Die Todesfurcht verkürzten. Bückt euch, Römer, Laßt unsre Händ in Cäsars Blut uns baden Bis an die Ellenbogen! Färbt die Schwerter! So treten wir hinaus bis auf den Markt, Und, überm Haupt die roten Waffen schwingend, Ruft alle dann: "Erlösung! Friede! Freiheit!"

Cassius. Bückt euch und taucht! In wie entfernter Zeit Wird man dies hohe Schauspiel wiederholen, In neuen Zungen und mit fremdem Pomp!

Brutus. Wie oft wird Cäsar noch zum Spiele bluten, Der jetzt am Fußgestell Pompejus' liegt, Dem Staube gleich geachtet!

Cassius. Sooft als das geschieht, Wird man auch unsern Bund, die Männer nennen, Die Freiheit wiedergaben ihrem Land.

William Shakespeare
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