Julius Cäsar

Page 27

(Lautes Getümmel.) Laß sie auf einmal stürmen, denn ich merke, Octavius' Flügel hält nur schwachen Stand; Ein schneller Anfall wirft ihn übern Haufen. Reit! reit, Messala! Laß herab sie kommen!

(Beide ab.)

Dritte Szene Ein andrer Teil des Schlachtfeldes

Getümmel. Cassius und Titinius kommen

Cassius. O sieh, Titinius! sieh! die Schurken fliehn. Ich selbst ward meiner eignen Leute Feind: Dies unser Banner wandte sich zur Flucht; Ich schlug den Feigen und entriß es ihm.

Titinius. O Cassius! Brutus gab das Wort zu früh. Im Vorteil gegen den Octavius, setzt' er Zu hitzig nach; sein Heer fing an zu plündern, Indes uns alle Mark Anton umzingelt.

Pindarus kommt.

Pindarus. Herr, flieht doch weiter! flieht doch weiter weg! Antonius ist in Euren Zelten, Herr; Drum, edler Cassius, flieht! Flieht weit hinweg!

Cassius. Der Hügel hier ist weit genug. Schau, schau, Titinius! Sind das meine Zelte nicht, Wo ich das Feuer sehe?

Titinius. Ja, mein Feldherr.

Cassius. Wenn du mich hebst, Titinius, so besteig Mein Pferd, setz ihm die Sporen in die Seite, Bis es zu jener Mannschaft dich gebracht Und wieder her, damit ich sicher wisse, Ob jene Mannschaft Freund ist oder Feind.

Titinius. Wie ein Gedanke bin ich wieder hier. (Ab.)

Cassius. Geh, Pindarus, steig höher auf den Hügel, Denn mein Gesicht ist kurz; acht auf Titinius Und sag mir, was du auf dem Feld entdeckst. (Pindarus ab.) An diesem Tage atmet ich zuerst; Die Zeit ist um, und enden soll ich da, Wo ich begann; mein Leben hat den Kreislauf Vollbracht.--Du dort, was gibt's?

Pindarus (oben). O Herr!

Cassius. Was gibt's?

Pindarus. Titinius ist von Reitern ganz umringt; Sie jagen auf ihn zu, doch spornt er weiter. Nun sind sie dicht schon bei ihm--nun Titinius! Sie steigen ab--er auch--er ist gefangen; Und horcht! sie jubeln laut. (Freudengeschrei.)

Cassius. Steig nur herunter, sieh nicht weiter zu. O Memme, die ich bin, so lang zu leben, Bis ich den besten Freund vor meinen Augen Gefangen sehen muß! Pindarus kommt zurück. Komm, Bursch, hieher! Ich macht in Parthia dich zum Gefangnen Und ließ dich schwören, deines Lebens schonend, Was ich nur immer tun dich hieß', du wollest Es unternehmen. Komm nun, halt den Schwur! Sei frei nun, und mit diesem guten Schwert, Das Cäsars Leib durchbohrt, triff diesen Busen. Erwidre nichts! Hier fasse du das Heft, Und ist mein Angesicht verhüllt, wie jetzt, So führ das Schwert.--Cäsar, du bist gerächt Und mit demselben Schwert, das dich getötet. (Er stirbt.)

Pindarus. So bin ich frei, doch wär ich's lieber nicht, Hätt es auf mir beruht.--O Cassius! Weit weg flieht Pindarus von diesem Lande, Dahin, wo nie ein Römer ihn bemerkt. (Ab.)

Titinius und Messala kommen.

Messala. Es ist nur Tausch, Titinius; denn Octav Ward von des edlen Brutus Macht geschlagen, Wie Cassius' Legionen von Antonius.

Titinius. Die Zeitung wird den Cassius sehr erquicken.

Messala. Wo ließt Ihr ihn?

Titinius. Ganz trostlos, neben ihm Sein Sklave Pindarus, auf diesem Hügel.

Messala. Ist er das nicht, der auf dem Boden liegt?

Titinius. Er liegt nicht da wie lebend.--O mein Herz!

Messala. Nicht wahr, er ist es?

Titinius. Nein, er war's, Messala: Doch Cassius ist nicht mehr.--O Abendsonne! Wie du in deinen roten Strahlen sinkst, So ging in Blut der Tag des Cassius unter. Die Sonne Roms ging unter; unser Tag Ist hingeflohn; nun kommen Wolken, Tau, Gefahren; unsre Taten sind getan. Mißtraun in mein Gelingen bracht ihn um.

Messala. Mißtraun in guten Ausgang bracht ihn um. O hassenswerter Wahn! der Schwermut Kind! Was zeigst du doch dem regen Witz der Menschen Das, was nicht ist! O Wahn, so bald empfangen, Zu glücklicher Geburt gelangst du nie Und bringst die Mutter um, die dich erzeugt.

Titinius. Auf, Pindarus! Wo bist du, Pindarus?

Messala. Such ihn, Titinius; ich indessen will Zum edlen Brutus und sein Ohr durchbohren Mit dem Bericht. Wohl nenn ich es durchbohren; Denn scharfer Stahl und giftge Pfeile würden Dem Ohr des Brutus so willkommen sein, Als Meldung dieses Anblicks.

William Shakespeare
Classic Literature Library

All Pages of This Book