Gehabt ihr euch wohl; hättet ihr einen solchen Verlust erlidten wie ich, so könnte ich bessern Trost geben als ihr thut. Ich will diesen Prunk nicht auf meinem Kopf leiden,

(Sie reißt ihren Kopfzeug ab.)

da eine solche Unordnung in meinem Verstand ist. O Gott, mein Kind, mein Arthur, mein schöner Sohn! Mein Leben, meine Freude, meine Nahrung, mein Alles in der Welt! Mein Trost, die einzige Lindrung meines Kummers! Mein Sohn! Mein Sohn!

(Sie geht ab.)

König Philipp. Ich besorge, es entsteht noch ein Unglük; ich will ihr folgen.

Siebende Scene.

Ludwig. Es ist nichts in der Welt, das mir mehr Vergnügen geben kan; das Leben ist mir so ekelhaft als ein zweymal erzähltes Mährchen, das die schlaffen Ohren eines schläfrigen Menschen plagt. Eine bittre Schmach hat den angenehmen Geschmak der Welt verderbt, so daß sie izt nach lauter Schande und Bitterkeit schmekt.

Pandolph. Eh eine heftige Krankheit geheilt wird, unmittelbar vor dem Augenblik der wiederkehrenden Gesundheit, ist der Anstoß am heftigsten; scheidende Übel scheinen am schlimmsten, indem sie verschwinden. Was habt ihr denn durch den Verlust dieses Tages verlohren?

Ludwig. Alle ruhmvollen, frohen, glüklichen Tage meines Lebens.

Pandolph. Glaubet mir, dann hättet ihr verlohren, wenn ihr diesen Tag gewonnen hättet. Nein, nein; wenn's das Glük am besten mit den Menschen meynt, so sieht es sie mit einem dräuenden Auge an. Es ist unglaublich, wie viel König Johann gerade dadurch verlohren hat, was er für klaren Gewinn rechnet. Schmerzt es euch nicht, daß Arthur sein Gefangner ist?

Ludwig. So herzlich, als er sich freut daß er ihn hat.

Pandolph. Euer Verstand ist noch so jung als euer Blut. Nun höre mich aus einem prophetischen Geiste reden; der blosse Athem der Worte die ich reden werde, soll jeden Staub, jeden Strohhalm, jedes kleine Hinderniß aus dem Wege wehen, der deinen Fuß gerade zu Englands Thron führen wird; höre also! Johann hat sich Arthurs bemächtiget, und es ist unmöglich, daß, so lange warmes Leben in seinen jungen Adern spielt, Johann, der seinen Thron usurpirt, eine Stunde, ein Minute, ja nur einen Augenblik ruhig athmen könnte. Ein Scepter der mit einer unrechtmäßigen Hand geführt wird, muß so gewaltthätig erhalten werden, als er gewonnen worden; und wer auf einem schlüpfrigen Plaz steht, ist nicht so zärtlich, daß ihm etwas zu garstig seyn sollte, woran er sich halten kan. Damit Johann stehen könne, muß Arthur fallen; und so sey es, da es nicht anders seyn kan.

Ludwig. Aber was kan ich durch Arthurs Fall gewinnen?

Pandolph. Vermöge des Rechts eurer Gemalin Blanca, könnt ihr alsdann in alle Ansprüche Arthurs eintreten.

Ludwig. Und Ansprüche, Leben und alles verliehren, wie Arthur.

Pandolph. Wie grün und jung ihr in dieser alten Welt noch seyd! König Johann thut das wichtigste für euch; die Umstände conspiriren mit euch, und der, so in Vergiessung des rechtmäßigen Bluts seine Sicherheit sucht, wird nichts als eine blutige und unsichre Sicherheit finden. Diese Übelthat wird die Herzen seines ganzen Volks erkälten, und ihren Eifer für ihn so sehr gefrieren machen, daß sie den schlechtesten Anlas, seiner Regierung ein Ende zu machen, mit Freuden ergreiffen werden. Es wird keine natürliche Ausdünstung in der Luft seyn, kein Mißgriff der Natur, kein Wetter-Tag, kein gemeiner Sturmwind, keine gewöhnliche Naturbegebenheit, denen sie nicht eine übernatürliche Ursache geben, die sie nicht Meteore, Wunderzeichen, Mißgeburten und Vorbedeutungen, kurz, Zungen des Himmels nennen werden, die überlaut wider Johann um Rache schreyen.

Ludwig. Es ist aber möglich, daß er dem jungen Arthur das Leben läßt, und sich begnügt, ihn in einer ewigen Gefangenschaft zu halten.

Pandolph. O Prinz, wenn er von eurer Annäherung hören wird, und Arthur nicht schon fort ist, so stirbt er denselben Augenblik: Und dann werden die Herzen aller seiner Unterthanen sich wider ihn empören, sich nach Veränderung sehnen, und von dieser blutigen That Anlas zu Aufruhr und Krieg nehmen.

William Shakespeare
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