König Richard. Norfolk, auf dich wartet ein strengeres Urtheil, wiewol ich es nicht ohne Widerwillen anspreche. Die schnellgeflügelten Stunden werden deiner Verbannung kein Ziel bestimmen; das hoffnunglose Wort, nicht wiederzukehren, athme ich gegen dich bey Straffe des Todes.

Mowbray. Ein hartes Urtheil, mein gebietender Oberherr, und aus Eurer Hoheit Mund gar zu unerwartet! Ich habe eine bessere Belohnung von Eurer Hand verdient, als so verstümmelt an die freye Luft hingeworfen zu werden. Die Sprache, die ich nun vierzig Jahre gelernt habe, mein angebohrnes Englisch, muß ich nun vergessen, und meine Zunge wird mir künftig nicht mehr nüzen, als eine unbesaitete Harfe, oder als ein feines Instrument in der Hand dessen, der es nicht zu spielen weiß. Ihr habt meine Zunge in meinen Mund eingekerkert, und stumme, gefühllose, unfruchtbare Unwissenheit ist der Kerkermeister, der mich bewachen soll. Ich bin zu alt, mich an den Busen einer neuen Säugamme zu schmiegen, oder wieder ein Lehrknabe zu werden. Was ist also Euer Urtheil, als die Verdammung zu einem sprachlosen Tod, der meiner Zunge das Leben nimmt?

König Richard. Vergebens bemühst du dich unser Mitleiden zu erweken; Nachdem unser Urtheil ausgesprochen ist, kommen Klagen zu spät.

Mowbray. So entweich ich dann aus dem Tag meines Vaterlands, um mein Leben in den traurigen Schatten einer hoffnunglosen Nacht zu enden.

König Richard. Kommt wieder zurük und nehmt einen Eid mit euch. Legt eure verbannten Hände auf eure königlichen Schwerdter, und schweert bey eurer Pflicht zum Himmel, (den Antheil, den wir daran haben, verbannen wir mit euch selbst*) daß ihr den Eid halten wollet, den wir euch auferlegen. Nimmer sollt ihr während eurer Verbannung euch mit einander aussöhnen, keiner soll des andern Angesicht sehen, keiner auf welche Art es sey, einige Gemeinschaft mit dem andern unterhalten, vielweniger durch verabredete Entwürfe irgend etwas böses gegen uns, unsern Staat, unsre Unterthanen, und unser Land anzuspinnen oder auszuführen suchen; schwört diß, so wahr euch der Himmel helfe!

{ed.-* Es ist eine Frage, worüber unter den Lehrern des Völker-Rechts viel gestritten worden, ob ein Verwiesener dem Staat, der ihn verbannt hat, dem ungeachtet mit der Pflicht der Treue zugethan sey. Cicero und der Lord Canzler Clarendon bejahen sie; Hobbes und Puffendorf behaupten das Gegentheil. Unser Autor scheint in dieser Zeile der leztern Meynung zu seyn. Warburton.}

Bolingbroke. Ich schwöre.

Mowbray. Und ich; alles diß zu halten.

Bolingbroke. Norfolk, hätte der König es uns zugelassen, so wanderte izt die Seele von einem unter uns beyden in der Luft, verbannt aus unserm Leibe, wie izt unser Leib aus diesem Lande verbannt ist. Bekenne deine Verräthereyen, eh du aus diesem Reiche fliehst; schleppe nicht auf eine so weite Reise die hemmende Bürde einer schuldigen Seele mit dir.

Mowbray. Nein, Bolingbroke; wann ich jemals ein Verräther war, so werde mein Nam' aus dem Buch des Lebens ausgelöscht, und ich vom Himmel wie von hinnen verbannt! Aber was du bist, das ist dem Himmel, dir und mir bekannt, und nur allzu bald, besorg' ich, wird es der König mit Reue erfahren. Lebet wohl, mein gebietender Herr; da ich England den Rüken kehren muß, ist jeder Weg mir gleich.

(Er geht ab.)

Fünfte Scene.

König Richard (Zu Gaunt.) Oheim, ich sehe den Gram deines Herzens in den Spiegeln deiner Augen; dein kummervolles Aussehen hat von der Zahl seiner verbannten Jahre viere abgerissen; wenn sechs Winter verflossen sind, Bolingbrok, so kehre, mir willkommen, von deiner Verbannung heim.

Bolingbroke. Welch eine lange Zeit ligt in einem einzigen kleinen Wort! Vier langsame Winter und vier muntre Frühlinge verliehren sich in einem Wort, so mächtig ist der Athem der Könige.

Gaunt. Ich danke meinem gebietenden Herrn, daß er, in Ansehung meiner, meines Sohnes Verbannung um vier Jahre abkürzt; aber was wird diese Mildigkeit mir helfen, da eh die sechs, die er verliehren muß, verflossen sind, meine vom Alter aufgezehrte Lampe verloschen seyn kan?

König Richard. Wie, Oheim, du hast noch viele Jahre zu leben.

William Shakespeare
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