Und doch will ich's versuchen--Mein Gehirn soll das Weib meiner Seele werden, und meine Seele, der Vater; und diese zwey sollen ein Geschlecht von Gedanken mit einander zeugen, und diese Gedanken sollen diese kleine Welt bevölkern, humorisirt, wie die Einwohner der grossen Welt, denn kein Gedank' ist zufrieden. Sogar die besten (die Gedanken von göttlichen Dingen) sind mit Zweifeln untermischt, und sezen das Wort selbst dem Wort entgegen; zum Exempel: Kommt, ihr Kleinen; und dann wieder: Es ist so schwer zu kommen, als einem Cameel durch ein Nadelöhr zu gehen.--Gedanken, die nach Unabhänglichkeit streben, brüten unmögliche Wunder aus,-- wie diese schwachen Nägel mir eine Öffnung durch die steinernen Rippen dieser Kerker-Mauren krazen könnten, und weil sie es nicht können, so zerplazen sie an ihrem eignen schwellenden Stolz. Gedanken, die nach Vergnügen streben, schmeicheln sich selbst, "sie seyen nicht die ersten Sclaven des Glüks, und werden nicht die lezten seyn," (wie schelmisches Bettelvolk, wenn sie im Stok sizen, sich damit trösten, daß schon viele da gesessen sind, und noch viele sizen werden.) Und in diesem Gedanken finden sie eine Art von Erleichterung, indem sie ihr eignes Elend auf dem Rüken derer tragen, die ehmals das nemliche ausgestanden haben. So spiel ich, in einem Gefängniß, mancherley Personen, wovon keine mit sich selbst zufrieden ist. Zuweilen bin ich ein Fürst; dann macht Verrätherey, daß ich mich zu einem Bettler wünsche, und das bin ich. Alsdann überredet mich die Dürftigkeit, es sey mir besser gewesen, da ich ein Fürst war, und dann werd' ich wieder gefürstet; und unvermerkt besinn' ich mich, daß mich Bolingbroke entfürstet hat, und da bin ich wieder nichts--Was ich aber seyn mag, so ist doch dieses gewiß, weder ich noch irgend ein andrer, wer er seyn mag, wird eher nicht zur Ruhe kommen, bis er nicht mehr ist--Hör' ich nicht Musik?

(Eine Musik.)

Ha, ha! Haltet den Tact; wie widrig die anmuthigste Musik ist, wenn das Zeitmaaß gebrochen, und die Proportion nicht gehalten wird! So ist es auch mit der Musik des menschlichen Lebens--Wie kommt es, daß ich ein so feines Ohr habe, von dem kleinsten Mißklang einer verstimmten Sayte, oder eines verspäteten Tons beleidigt zu werden; und daß ich kein Ohr hatte, die schlechte Zusammenstimmung in meinem Staat, das gebrochne Zeitmaaß in meiner Regierung zu bemerken? Ich verderbte die Zeit; nun verderbt die Zeit mich. Die Zeit hat nun ihre Stunden-Uhr aus mir gemacht; meine Gedanken sind die Minuten, und meine jammernden Seufzer die Töne, die an mein Herz anschlagen, und so die Stunden anzeigen--Diese Musik macht mich närrisch--laßt sie schweigen; wenn sie gleich schon öfters närrischen Leuten wieder zu ihrem Verstand geholfen hat, so scheint es doch an mir, daß sie kluge Leute närrisch mache. Und doch gesegnet sey der, so sie mir giebt; es ist immer ein Zeichen seiner Liebe, und Liebe zu Richard ist ein seltnes Kleinod in einer Welt, wo der Haß allezeit den Fall begleitet.

Eilfte Scene. (Ein Stallknecht kommt herein.)

Stalknecht. Heil, königlicher Herr!

König Richard. Grossen Dank, edler Pair. Der Wohlfeilste von uns beyden ist um zehn Groschen zu theuer. Wer bist du? Wie kommst du hieher? Wohin niemand kommt, als ein schwermüthiger Sclave, der mir zu essen bringt; um mein Unglük zu verlängern.

Stalknecht. Ich war ein armer Stallknecht in deinem Marstall, König, wie du noch ein König warst; und da ich unlängst nach York reisen mußte, so hab' ich um die Erlaubniß angesucht, meinen ehmaligen Herrn sehen zu dürfen. O wie weh that mir's im Herzen, wie ich in den Strassen von London, an dem Krönungs-Tag zusehen mußte, wie Bolingbroke auf dem weiß- und roth getüpfelten Barber, euerm Leibpferd, ritt; auf diesem Pferd das ihr so oft geritten, und das ich mit so grosser Sorgfalt abgerichtet hatte.

König Richard. Ritt er auf meinem Barber? Sag mir, mein guter Freund, wie gieng er unter ihm?

Stalknecht. So stolz, als ob er den Boden aus Verachtung nicht berühren wolle.

König Richard. So stolz, weil er Bolingbrok auf seinem Rüken hatte? Die Schindmähre hat Brodt aus meiner königlichen Hand gefressen; diese Hand hat ihn so oft durch streicheln stolz gemacht.

William Shakespeare
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