Abhorson. Geh zu ihm hinein, und schaff ihn heraus.
Harlequin. Er kommt, Herr, er kommt; ich höre das Stroh rascheln. (Bernardin zu den Vorigen.)
Abhorson. Ligt das Beil auf dem Blok, Kerl?
Harlequin. Ja, Herr.
Bernardin. Wie gehts, Abhorson? Was habt ihr Neues?
Abhorson. In gutem Ernst, Herr, ich wollte ihr würdet hurtig euer Gebet verrichten; denn, seht hier, der Befehl für eure Execution ist da.
Bernardin. Ihr Schurke, ich habe die ganze Nacht durch gesoffen, es ist mir izt ungelegen.
Harlequin. O, desto besser, Herr; einer der die ganze Nacht trinkt, und des Morgens bey Zeiten gehenkt wird, kan den ganzen nächsten Tag desto ruhiger schlafen. (Der Herzog zu den Vorigen.)
Abhorson. Seht, Herr, hier kommt euer geistlicher Vater; meynt ihr noch, daß es nur Spaß sey?
Herzog. Mein Herr, da ich gehört habe, wir schnell ihr die Welt verlassen sollt, so komm ich aus Christlicher Liebe bewogen, euch vorzubereiten, zu trösten, und mit euch zu beten.
Bernardin. Frater, ich nicht; Ich habe die ganze Nacht stark getrunken, und ich will mehr Zeit zu meiner Vorbereitung haben, oder sie sollen mir das Hirn mit Knitteln ausschlagen; ich werde mich nimmermehr dazu verstehen, heute zu sterben, das ist ausgemacht.
Herzog. O, mein Herr, ihr müßt; und also bitte ich euch, bedenket die Reise wohl, die ihr zu machen habt.
Bernardin. Ich schwör euch aber, daß mich kein Mensch in der Welt überreden soll, heute zu sterben.
Herzog. Aber ihr hört ja--
Bernardin. Nicht ein Wort; wenn ihr mir etwas zu sagen habt, so kommt in mein Gefängniß, denn heute soll mich niemand anders wo hin bringen.
(Er geht ab.)
Neunte Scene. (Der Kerkermeister zu den Vorigen.)
Herzog. Er ist ungeschikt zum Leben und zum Sterben: es ängstiget mein Herz! aber es muß seyn--Geht ihm nach, ihr Leute, und führt ihn zu dem Blok.
Kerkermeister. Nun, mein Ehrwürdiger Herr, wie findet ihr den Gefangnen?
Herzog. Unbereitet und untüchtig zum Sterben; ihn in der Gemüthsfassung worinn er ist, in die andre Welt zu schiken, wäre verdammlich.
Kerkermeister. Diesen Morgen, Vater, starb hier im Gefängniß an einem hizigen Fieber ein gewisser Ragozin, ein sehr berüchtigter Räuber, ein Mann von Claudios Jahren; Bart und Haar völlig von der nemlichen Farbe; wie wenn wir diesen Ruchlosen gehen liessen, bis er sich besser anläßt, und den Statthalter mit Ragozins Haupt befriedigten, der dem Claudio ähnlicher sieht?
Herzog. O, diß ist ein Zufall, den uns der Himmel geschikt hat; nur hurtig zur Ausführung geschritten; die von Angelo bestimmte Stunde rükt heran; sorget davor, daß alles seinem Befehl so gemäß eingerichtet werde, daß er den Tausch nicht merken könne; indessen daß ich mich bemühen werde, diesen rohen Unglükseligen zum Tode willig zu machen.
Kerkermeister. Es soll alles sogleich geschehen, mein guter Vater; aber Bernardin muß diesen Nachmittag sterben; und wie sollen wir den Claudio länger hier behalten, ohne daß ich in Gefahr komme, wenn es bekannt wird daß er noch lebt?
Herzog. Bringet Claudio und Bernardin jeden in irgend einen geheimen Enthalt; eh die Sonne zweymal untergegangen seyn wird, sollt ihr von eurer Sicherheit durch den Augenschein überzeugt werden.
Kerkermeister. Ich gehorche euch mit Vergnügen.
Herzog. Schnell, beschleunigt euch, und schiket dem Angelo den Kopf.
(Kerkermeister geht ab.)
Nun will ich dem Angelo neue Briefe zufertigen, aus denen er ersehen soll, daß ich nahe bey der Stadt bin, und daß wichtige Ursachen mich verbinden, einen öffentlichen Einzug zu halten; ich will ihm darinn befehlen, mir eine halbe Stunde weit vor der Stadt bis zum heiligen Brunnen entgegen zu gehen: Von da soll sich dann, nach der geheimen Veranstaltung, die wir machen werden, ein Umstand nach dem andern entfalten; und Angelo, in die Unmöglichkeit gesezt, sich loßzuwinden, soll sich selbst das Urtheil sprechen. (Der Kerkermeister kommt.)
Kerkermeister. Hier ist der Kopf; ich will ihn selbst hintragen.
Herzog. Es ist das sicherste; beschleunigt eure Rükkunft, denn ich habe euch Sachen zu eröffnen, die keine andre Ohren brauchen als die eurigen.