Hinweg mit ihm.

Mariane. O! mein Gnädigster Herr, ich hoffe Euer Durchlaucht hat mir nicht zum Scherz einen Gemahl gegeben.

Herzog. Ich hielt eure Vermählung nur nöthig, um eure Ehre sicher zu stellen, und einen Vorwurf von euch abzuwenden, der euerm künftigen Glük im Wege gestanden wäre; was seine Güter betrift, so sezen wir, ob sie gleich durch Confiscation unser wären, euch in den Besiz davon, und machen sie zu euerm Witthum, damit ihr einen bessern Gemahl kauffen könnet.

Mariane. O Mein theurester Fürst, ich verlange keinen andern und keinen bessern Mann.

Herzog. Bittet nicht für ihn, unser Schluß ist gefaßt.

Mariane. Mein gnädigster Herr--

Herzog. Ihr verliehrt nur eure Mühe--weg mit ihm zum Tode.

(Zu Lucio.)

Nun, mein Herr, kommt die Reyhe an euch.

Mariane. O! mein gnädigster Herr! O! theurste Isabella, kommet mir zuhülfe; lehnt mir eure Knie, und mein ganzes künftiges Leben soll zu eurem Dienst gewidmet seyn.

Herzog. Was ihr von ihr fordert ist unbillig, und wider die Natur; sollte sie niederknien, um für eine solche That Erbarmung zu erflehen, ihres Bruders Geist würde sein Grab durchbrechen, und sie in Schreknissen von hinnen reissen.

Mariane. Isabella, liebste Isabella, kniet doch mit mir hin; breitet eure Hände aus, redet nichts, ich will alles sagen. Die besten Menschen, sagt man, werden erst durch die Fehler die sie gemacht haben, vollkommen; dieses kan auch meines Mannes Fall seyn. O Isabella, wollt ihr nicht mit mir knien?

Herzog. Er stirbt für Claudios Tod.

Isabella (kniend.) Gütigster Fürst, sehet, wenn es euch gefällt, auf diesen verurtheilten Mann, als ob er mein Bruder wäre; ich glaube, ich hoffe es, seine Tugend war aufrichtig, bis er mich sah; wenn dieses ist, so laßt ihn nicht sterben. Meinem Bruder ist nichts als Gerechtigkeit widerfahren; er starb für eine Sünde, die er würklich ausgeübt hatte; Angelo sündigte nur durch einen Vorsaz der nicht zur Vollziehung kam; Gedanken sind dem Gesez nicht unterworffen, und Vorsäze sind blosse Gedanken.

Mariane. Blosse Gedanken, Gnädigster Herr.

Herzog. Eure Fürbitte ist fruchtlos; stehet auf, sage ich. Ich habe mich indessen eines andern Fehlers erinnert. Kerkermeister, wie kam es, daß Claudio zu einer ungewöhnlichen Stunde enthauptet wurde?

Kerkermeister. Es wurde so befohlen.

Herzog. Hattet ihr einen Richterlichen Befehl deßwegen?

Kerkermeister. Nein, Gnädigster Herr, es geschah auf eine privat-Botschaft.

Herzog. Und deßwegen entseze ich euch eures Amts; gebt die Schlüssel ab.

Kerkermeister. Vergebet mir, Gnädigster Herr; ich dachte gleich, es möchte ein Fehler seyn, doch wußte ichs nicht gewiß; aber es reuete mich, da ich mich besser erkundigt hatte; und der Beweiß hievon ist dieses, daß ich einen gewissen Gefangnen, der kraft eines privat-Befehls sterben sollte, noch habe leben lassen.

Herzog. Wer ist er?

Kerkermeister. Er nennt sich Bernardin.

Herzog. Ich wollte, du hättest dieses beym Claudio gethan; geht, holt ihn hieher, ich will ihn sehen.

Escalus. Es ist mir leid, daß ein so gelehrter und weiser Mann, als ihr, Freyherr Angelo, allezeit geschienen habt, beydes durch Hize des Bluts und Mangel einer klugen Ueberlegung, so grosse Fehltritte gemacht habt.

Angelo. Mir ist leid, daß ich euch dieses Leid verursache, und ich fühle mein Verbrechen so sehr, daß ich mit grösserm Verlangen um den Tod flehe als um Gnade: Ich habe ihn verdient, und ich bitte darum.

Siebende Scene. (Der Kerkermeister, Bernardin, Claudio und Juliette zu den Vorigen.)

Herzog. Welcher ist dieser Bernardin, von dem ihr sprachet?

Kerkermeister. Dieser, Gnädigster Herr.

Herzog. Ein gewisser Mönch sagte mir von diesem Manne; Kerl, man sagt du habest eine verstokte Seele, die nach dieser Welt nichts fürchte, und du lebest dieser Denkungsart gemäß; du bist zum Tode verurtheilt; doch will ich dir die Strafe nachlassen, die deine Verbrechen in dieser Welt verdient haben; ich bitte dich, wende diese Gnade dazu an, für eine bessere Zukunft besorgt zu seyn; Frater, gebt ihm Anleitung dazu, ich übergebe ihn in eure Hände. Was für ein vermummter Geselle ist das?

Kerkermeister. Es ist ein andrer Gefangner, den ich rettete und welcher sterben sollte, als Claudio den Kopf verlohr; er gleicht dem Claudio so sehr als sich selbst.

William Shakespeare
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