Macbeth

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Macbeth. Kamen sie nicht bey euch vorbey?

Lenox. Nein, in der That, nicht, Sire.

Macbeth. Verpestet sey die Luft, durch die sie reiten! und verdammt alle die ihnen trauen!--Ich hörte das Stampfen von Pferden im Gallop. Wer kam vorbey?

Lenox. Es waren zween oder drey, Gnädigster Herr, die euch Nachricht bringen, daß Macduff nach England geflohen ist.

Macbeth. Nach England geflohen?

Lenox. Ja, gnädigster Herr.

Macbeth. Zeit, du entziehst meinem furchtbaren Vorsaz sein Opfer--die Ausführung sollt' allemal an den Fersen der Entschliessung gehen. Von diesem Augenblik an soll jeder Erstling meines Herzens unmittelbar in meine Hand übergehen. Und eben izt, meine Gedanken mit Handlungen zu krönen, sey es gedacht und gethan! Ich will Macduffs Schloß überfallen, Fife im Sturm wegnehmen, und sein Weib, seine Kinder und alle die unglüklichen Seelen, die zu seinem Stamme gehören, der Schneide des Schwerts Preiß geben. Das soll keine Pralerey eines Narren seyn; die That soll gethan seyn, eh der Entschluß noch erkaltet ist--Aber keine Gesichter mehr!--Wer sind diese Männer? Komm, begleite mich zu ihnen.

(Sie gehen ab.)

Dritte Scene. (Verwandelt sich in Macduffs Schloß zu Fife.) (Lady Macduff, ihr kleiner Sohn, und Rosse treten auf.)

Lady Macduff. Was hat er denn gethan, daß er flüchtig werden mußte?

Rosse. Ihr müßt Geduld haben, Madam.

Lady. Er hat keine; seine Flucht war Raserey; wenn es unsre Handlungen nicht thun, so machen uns unsre Besorgnisse zu Verräthern.

Rosse. Ihr wißt nicht, ob es seine Klugheit oder seine Furcht war--

Lady. Klugheit? Sein Weib, seine Kinder, seinen Siz, seine Titel an einem Ort vor sicher halten, von dem er selbst entflieht? Er liebt uns nicht, er hat das natürliche Gefühl nicht; der arme Zaunkönig sogar, der allerkleinste unter den Vögeln, hat Muth, wenn seine Jungen im Nest sind, gegen die Eule zu kämpfen: Seine Furcht ist alles, seine Liebe nichts; und wie groß ist nun da die Klugheit, wo die Flucht aller Vernunft und Pflicht so zuvorrennt?

Rosse. Meine theureste Base, ich bitte euch, mäßiget euch; euer Gemahl ist edel, ist weise, ist bedächtlich, und weiß am besten, was die Zeit erfordert. Ich darf mehr nicht sagen, aber grausam sind die Zeiten, wo wir Verräther sind, und uns selbst nicht kennen: wo wir uns von unsrer Furcht regieren lassen, und doch nicht wissen was wir fürchten; sondern auf einer wilden und stürmischen See hin und her getrieben irren. Ich beurlaube mich von euch; aber ich will in kurzem wieder da seyn; Wenn die Sachen am schlimsten sind, müssen sie gar aufhören oder wieder gut werden. Lebet wohl mein liebenswürdiger Vetter.

Lady Macduff. Er hat einen Vater, und ist doch vaterloß.

Rosse. Ich bin so sehr ein Thor, daß wenn ich mich länger aufhielte, meine Schwachheit mich selbst beschämen, und euch nur trostloser machen würde. Ich muß mich auf einmal losreissen.

(Rosse geht ab.)

Lady. Armer Junge, dein Vater ist todt? Was willt du nun anfangen? Wie willt du leben?

Sohn. Wie die Vögel, Mutter.

Lady. Wie, von Würmern und Fliegen?

Sohn. Von was ich kriegen kan, meyn' ich; sie machen's auch so.

Lady. Armes Vögelchen! du würdest weder Nez noch Leimruthe, weder Fallen noch Strike fürchten.

Sohn. Warum sollt' ich, Mutter? Die armen Vögelchen! wie wollten sie das machen? Aber, mein Vater ist nicht todt, wenn ihr's schon sagt.

Lady. Ey ja, er ist todt; wo willt du nun einen Vater hernehmen?

Sohn. Aber wo wollt ihr einen Mann hernehmen?

Lady. Wie! ich kan ihrer zwanzig auf dem nächsten Markt kauffen.

Sohn. So kauft ihr sie nur, um sie wieder zu verkauffen?

Lady. Du redst so gescheidt als du kanst, und doch in der That gescheidt genug für dich.

Sohn. War mein Vater ein Verräther, Mutter?

Lady. Ja, das war er.

Sohn. Was ist ein Verräther?

Lady. Wie, einer der schwört und lügt.

Sohn. Und die sind alle Verräther, die das thun?

Lady. Ein jeder, der das thut, ist ein Verräther und muß gehangen werden.

Sohn. Und müssen die alle gehangen werden, die schwören und lügen?

Lady. Ein jeder.

William Shakespeare
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