Desdemona. Das verhüte der Himmel, daß unsre Liebe und unser Vergnügen nicht in gleichem Maasse zunehmen sollte, wie unsre Tage wachsen!

Othello. Amen, zu diesem holden Wunsch! Ich kan nicht genug von dieser Freude sagen, mein Herz ist so voll--

(er küßt sie--)

und diß, und diß, möge die grösseste Dissonanz seyn, die jemals unsre Herzen machen werden!

Jago (bei Seite.)

O, izt seyd ihr noch wolgestimmt; aber ich will den Wirbel legen, der diese Musik macht, so wahr ich ehrlich bin!

Othello. Kommt, wir wollen in's Schloß. Nun, meine Freunde, der Krieg ist geendigt, eh er angefangen hat; die Türken sind ertrunken. Wie leben unsre alten Bekannten auf dieser Insel?--Mein liebstes Herz, ihr werdet in Cypern sehr geliebt werden; ich habe viele Freundschaft hier empfangen--O meine Liebe, ich merke daß ich mich vergesse; das Uebermaaß meiner Freude macht mich schwärmen.--Ich bitte dich, guter Jago, geh an die Rhede und laß meine Kisten auspaken; und den Schiffs-Patron bring' in die Citadelle zu mir; er ist ein geschikter Mann, dessen Verdiensten eine vorzügliche Achtung gebührt. Kommt, Desdemona, noch einmal willkommen in Cypern!

(Othello und Desdemona gehen ab.)

Siebende Scene. (Jago und Rodrigo bleiben.)

Jago (zu einigen Bedienten.) Geht ihr dem Hafen zu, ich werde in einem Augenblik folgen--(zu Rodrigo.) Komm näher, wenn du ein tapfrer Mann bist; (und man sagt doch, daß die Liebe auch den feigesten Seelen eine gewisse Stärke und Erhabenheit gebe, die ihnen sonst nicht natürlich ist)--Horch mir zu; der Lieutenant commandirt diese Nacht auf der Hauptwache. Zuerst muß ich dir sagen, daß diese Desdemona geradezu in ihn verliebt ist.

Rodrigo. In ihn? Wie, das ist nicht möglich.

Jago. Leg deine Finger auf den Mund und laß dir sagen, was du zu wissen brauchst. Bedenk einmal mit was für einer Heftigkeit sie anfangs den Mohren liebte, bloß weil er aufschnitt, und ihr romanhafte Lügen vorsagte. Meynst du, sein Pralen werde machen, daß sie ihn immer liebe? Sey nicht so einfältig, und bilde dir solche Dinge ein. Ihr Auge muß doch auch eine Nahrung haben. Und was ein Vergnügen kan sie davon haben, wenn sie den Teufel ansieht? Wenn die Entzükungen des Liebes-Spiels das Blut ermattet haben, so braucht es Reizungen, Schönheiten, Sympathie im Alter, zärtliche Empfindungen, was weiß ich's, kurz lauter Eigenschaften, die der Mohr nicht hat, um es wieder anzuflammen. Nun aber kan's nicht fehlen, der Abgang dieser Erfordernisse und Uebereinstimmungen wird ihre jugendliche Zärtlichkeit gar bald empören; sie wird finden, daß sie sich betrogen hat; sie wird des Mohren erst satt, dann überdrüssig werden, dann einen Ekel vor ihm bekommen, und ihn endlich gar verabscheuen, die Natur selbst wird sie das lehren und sie zu einer andern Wahl nöthigen. Nun, Herr, dieses vorausgesezt, (wie es dann eine ausgemachte Sonnenklare Sache ist,) wer darf sich dieses Glük mit beßrer Hoffnung versprechen als Cassio? Der geschmeidigste Schurke von der Welt; der nicht mehr Gewissen oder Tugend hat, als der Wohlstand und die Klugheit erfordern, um unterm Schuz der äusserlichen Form eines bescheidnen und wohlgesitteten Betragens seine geheimen Ausschweiffungen und Leichtfertigkeiten desto sichrer auszuüben; ein glatter, abgeteilter Schurke, ein Gelegenheits-Hascher, ein Gleißner, der sich das Ansehen von Tugenden geben kan, die er nie gehabt hat; ein verteufelter Schurke! Und dann kommt noch in Betrachtung, daß der Schurke hübsch, jung, und mit allen den Erfordernissen begabt ist, worauf Thorheit und unreiffe Jugend am meisten sehen. Ein schwernöthischer ausgemachter Schurke! Und das Weibsbild kennt ihn schon besser, als du dir einbildest.

Rodrigo. Das kan ich unmöglich von ihr glauben; sie ist von einer so tugendhaften Gemüthsart--

Jago. Tugendhafter Pfifferling! Der Wein den sie trinkt ist aus Trauben gemacht. Wenn sie tugendhaft gewesen wäre, so würde sie sich nicht in den Mohren verliebt haben: Tugendhafter Quark! Hast du dann nicht gesehen wie sie mit seiner Hand auf- und abschaukelte? Hast du nicht darauf Acht gegeben?

Rodrigo. Ja, das that ich; aber das war nur Höflichkeit.

William Shakespeare
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