Heil der Insel Cypern, und unserm edeln General!

(Othello, Desdemona, Cassio, und Gefolge treten auf.)

Othello. Mein lieber Cassio, seht diese Nacht zur Wache; wir wollen nicht vergessen, in unsern Lustbarkeiten nie über das Ziel der Anständigkeit und Mässigung hinauszuschweiffen.

Cassio. Jago hat schon Befehl auf die Nacht; ich will aber nichts destoweniger selbst ein Aug' auf alles haben.

Othello. Jago ist ein ehrlicher Mensch--Gute Nacht, Cassio. Morgen, so früh als euch gelegen ist, laßt mich eine Unterredung mit euch haben--

(Zu Desdemona.)

Komm, meine theure Liebe--Wenn der Kauf geschehen ist, so folgt die Nuzniessung;--Gute Nacht.

(Othello und Desdemona gehen ab.)

(Jago zu Cassio.)

Cassio. Willkommen Jago, wir müssen zur Wache.

Jago. Izt noch nicht, Lieutenant, es ist noch nicht zehn Uhr. Unser General hat uns seiner Desdemona zu lieb so früh entlassen, und wir können ihn nicht deßwegen tadeln--es ist seine erste Nacht, und sie ist ein Lekerbissen für einen Jupiter.

Cassio. Sie ist eine vortreffliche Dame.

Jago. Und sie liebt das Spiel, ich stehe für sie.

Cassio. In der That, sie ist ein reizendes Geschöpf.

Jago. Was sie für ein paar Augen hat! Es ist, als ob sie einen auffordern--

Cassio. Sehr anziehende Augen, und doch, wie mich däucht, vollkommen sittsam.

Jago. Und wenn sie redt, ist nicht der blosse Ton ihrer Stimme ein Signal zur Liebe?

Cassio. Sie ist, in der That, die Vollkommenheit selbst.

Jago. Gut, viel Glüks zu ihrer Hochzeit-Nacht! Kommt, Lieutenant, ich habe eine Flasche Wein, und es sind ein paar brave junge Cyprier draussen, die gerne eins auf Othello's Gesundheit mit uns trinken möchten.

Cassio. Diese Nacht kan's nicht seyn, Jago; ich habe ein armes unglükliches Gehirn zum Trinken. Ich möchte wol wünschen, daß man eine andre Manier, einander seinen guten Willen zu bezeugen, erfinden möchte als Gesundheittrinken.

Jago. Oh, es sind gute Freunde; nur ein Gläschen; ich will für euch trinken.

Cassio. Ich habe diesen Abend nicht mehr als einen Bechervoll getrunken, der noch dazu mit Wasser gemischt war, und ihr seht, was für Veränderungen er schon hier gemacht. Es ist ein Unglük für mich, daß ich so wenig ertragen kan, aber ich darf es nicht wagen, mehr zu thun.

Jago. Wie, Mann? Die heutige Nacht ist dazu bestimmt, daß man sich lustig mache, und die jungen Herren würden sich durch unsre Weigerung beleidigt finden.

Cassio. Wo sind sie?

Jago. Hier, vor der Thür; ich bitte euch, ruft sie herein.

(Cassio geht ab.)

Jago (allein.) Wenn ich ihm, über das was er schon getrunken hat, nur noch einen Becher voll beybringen kan, so wird er so händelsüchtig seyn, und sich so unnüz machen wie meiner jungen Fräulein Hund--Nun hat mein ehrlicher Rodrigo, dem die Liebe nun vollends die unrechte Seite herausgekehrt hat, diese Nacht auch manchen Stuzer auf Desdemonens Gesundheit ausgeleert, und izt wird er mit auf die Wache ziehen. Drey junge Cyprier, frische rüstige Bursche, die Herz und Ehre haben, hab ich gleichfalls mit vollen Bechern zugedekt, und sie sind auch von der Wache. Unter dieser Schaar von Betrunknen kan es mir also nicht schwer fallen, unsern Cassio zu einem Exceß zu bringen, wodurch er diese Insulaner vor die Köpfe stößt--Aber da kommen sie ja schon. Wenn der Erfolg meinem Entwurf antwortet, so segelt mein Boot mit Wind und Fluth davon.

Zehnte Scene. (Cassio, Montano, und drey junge Cyprier.)

Cassio. Beym Himmel, sie haben mir schon einen Tips angehängt.

Montano. Einen sehr kleinen, in der That: ihr habt nicht über eine Maaß getrunken, so wahr ich ein Soldat bin.

Jago. Wein her, Wein her! (er fängt an zu singen) he! Wein her, ihr Jungens!

Cassio. Beym Himmel, das war ein hübsches Lied.

Jago. Das lernt ich in England, wo sie, in der That, mächtige Zecher sind. Euer Dähne, euer Deutscher, euer schmerbauchichter Holländer--he! zu trinken! sind nichts gegen meinen Engländer.

Cassio. So ist euer Engländer ein so grosser Trinker?

Jago. Ob er's ist? Ich sag euch, er trinkt euch eure Dänen zu Boden, ohne daß ihr's ihm anseht.

William Shakespeare
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