Cassio. Ich bitte euch dem ungeachtet, wenn ihr anders glaubt daß es schiklich sey, und wenn es sich thun läßt, mir Gelegenheit zu verschaffen, daß ich ein paar Worte mit Desdemonen allein sprechen könnte.

Aemilia. Ich bitte euch, kommt herein; ich will euch an einen Ort führen, wo ihr Gelegenheit haben sollt, ihr alles zu sagen was ihr auf dem Herzen habt.

Cassio. Ich bin euch sehr dafür verbunden.

(Sie gehen ab.)

Zweyte Scene. (Othello, Jago, und etliche Cyprische Edelleute.)

Othello. Diese Briefe, Jago, gieb dem Schiffs-Patron, und bitte ihn, dem Senat meine Schuldigkeit zu bezeugen. Ich will indessen einen Gang in die Vestungs-Werker thun, mache, daß du dort wieder zu mir kommst.

Jago. Ich werde nicht ermangeln, gnädiger Herr.

Othello. Wollen wir gehen, meine Herren, und die Vestung besehen?

Edelleute. Wir werden die Ehre haben, Eu. Gnaden zu begleiten.

(Sie gehen ab.)

Dritte Scene. (Verwandelt sich in das Zimmer im Pallast.) (Desdemona, Cassio, und Aemilia.)

Desdemona. Sey versichert, mein guter Cassio, ich will alle meine Vermögenheit zu deinem Besten anwenden.

Aemilia. Thut es, liebste Madam; ich weiß, es bekümmert meinen Mann, als ob es seine eigne Sache wäre.

Desdemona. Ich glaub' es, er ist ein guter Mensch; zweifelt nicht, Cassio, ich will meinen Herrn und euch wieder zu so guten Freunden machen, als ihr gewesen seyd.

Cassio. Meine großmüthigste Gebieterin, was auch aus Cassio werden mag, so wird er nie was anders als euer getreuer Diener seyn.

Desdemona. Ich weiß es; ich danke euch; ihr liebet meinen Gemahl; ihr kennt ihn schon lange; und seyd vollkommen versichert, er wird in dieser Entfernung von euch nicht weiter gehen, als er durch politische Ursachen sich genöthigt sehen wird.

Cassio. Sehr wohl, Gnädige Frau; aber diese politische Freundschaft kan so lange währen, und indeß mit einer so leichten und wäßrichten Nahrung unterhalten werden, daß, indem ich abwesend bin, und ein andrer meine Stelle inne hat, mein General meiner Ergebenheit und meiner Dienste endlich gänzlich vergessen wird.

Desdemona. Macht euch keine solche Gedanken; hier in Aemiliens Gegenwart verbürg' ich mich selbst für deine Stelle. Versichre dich, wenn ich meine Freundschaft verspreche, so darf man sich darauf verlassen, daß ich ihre Pflichten bis auf den äussersten Punkt erfüllen werde. Mein Gemahl soll keine Ruhe haben, bis er sich ergeben wird; er soll Tag und Nacht nichts anders hören, ich will ihn bis in sein Bette damit verfolgen, und er soll nichts sagen noch thun können, wovon ich nicht den Anlas nehme, ihn an Cassio's Gesuch zu erinnern; sey also ruhig, Cassio; deine Sachwalterin soll eher das Leben lassen, ehe sie deine Sache aufgeben soll.

Vierte Scene. (Othello und Jago treten von der Seite, in einiger Entfernung auf.)

Aemilia. Gnädige Frau, dort kommt euer Gemahl.

Cassio. So will ich meinen Abschied nehmen, Gnädige Frau.

Desdemona. Warum dann? Bleibt da, und hört mich reden.

Cassio. Izt nicht, Gnädige Frau; ich bin so übel aufgeräumt, daß ich meiner Sache keinen guten Schwung geben würde.

(Cassio geht ab.)

Desdemona. Gut, nach euerm Belieben.

Jago (leise.) Ha! Das gefällt mir nicht zum Besten--

Othello (zu Jago.) Was sagst du?

Jago. Nichts, Gnädiger Herr; oder wenn--ich weiß selbst nicht was.

Othello. Gieng nicht diesen Augenblick Cassio von meiner Frauen weg?

Jago. Cassio, Gnädiger Herr?--Nein, versichert, ich kan mir nicht vorstellen, daß er sich, sobald er euch kommen sieht, so eilfertig davon schleichen würde, als ob er kein gutes Gewissen hätte.

Othello. Ich glaube nicht anders als er war's.

Desdemona. Wie steht's, mein Gemahl? Ich sprach eben izt mit einem Supplicanten, einem Mann, den eure Ungnade sehr unglüklich macht.

Othello. Und wer ist dieser Mann?

Desdemona. Wer sollt es seyn als euer Lieutenant, Cassio? Liebster Gemahl, wenn ich nur das mindeste Vermögen über euer Herz habe, so söhnt euch auf der Stelle wieder mit ihm aus.

William Shakespeare
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