Das kan mich nicht eifersüchtig machen, wenn jemand sagt, mein Weib ist schön, ißt mit gutem Appetit, liebt Gesellschaft, ist munter, gesprächig, singt, spielt und tanzt gut; an einer tugendhaften Person werden diese Dinge selbst zu Tugenden. Eben so wenig werd' ich jemals von meinen eignen Unvollkommenheiten Anlas zum kleinsten Zweifel oder Verdacht einer Untreue von ihrer Seite nehmen; denn sie hatte Augen und wählte mich. Nein, Jago; ich will sehen eh ich zweifle; wenn ich zweifle, so will ich Beweise; und sobald ich diese habe, weg auf einmal mit Liebe und Eifersucht!
Jago. Das hör' ich sehr gerne; dann nun darf ich mir also kein Bedenken mehr machen, euch die Freundschaft und Ergebenheit sehen zu lassen, die ich zu euch trage. Nehmt also was ich sagen werde so auf, wie es gemeynt ist. Ich rede noch nicht von Beweisen; gebt auf eure Gemahlin Acht, habt ein aufmerksames Auge auf sie und Cassio, das ist alles was ich sagen kan: Nicht eifersüchtig, aber auch nicht sicher; ich möchte nicht gerne, daß ein so edles Gemüthe wie das eurige, aus einem Uebermaaß von angebohrner Gutherzigkeit betrogen würde; seht euch also vor. Ich kenne die Venetianische Landes-Art; in Venedig bekümmern sie sich wenig, ob der Himmel ein Zeuge ihrer Streiche ist, wenn nur ihre Männer nichts davon gewahr werden; ihre gröste Gewissenhaftigkeit geht insgemein nicht weiter, als daß sie niemand zusehen lassen, wenn sie sündigen.
Othello. Sagst du das?
Jago. Sie betrog ihren Vater, wie sie sich euch ergab; und zu eben der Zeit, da sie euch am heftigsten liebte, stellte sie sich, als ob sie sich vor euch fürchte.
Othello. Das machte sie würklich so.
Jago. Macht also den Schluß; konnte sie, so jung, so unschuldig als sie war, sich so gut verstellen, daß ihr eigner Vater von allem was in ihrem Herzen vorgieng, nichts gewahr werden konnte--Er dachte, es müsse nothwendig Zauberey dabey gebraucht worden seyn--Doch ich bin sehr zu tadeln: Ich bitte euch recht demüthig um Vergebung, daß ich mich von meiner Liebe zu euch so weit verleiten lasse.
Othello. Ich bin euch auf immer dafür verbunden.
Jago. Ich sehe doch, es hat eure Lebensgeister ein wenig in Unordnung gebracht.
Othello. Im mindsten nicht, im mindsten nicht!
Jago. Glaubt mir, ich besorge, es ist so etwas; ich hoffe wenigstens, ihr werdet überzeugt seyn, daß, was ich sagte aus Freundschaft zu euch geflossen ist. Aber, ich seh' es, ihr seyd beunruhigt--Ich bitte euch recht inständig, meinen Reden keine schlimmere Auslegung zu geben, als meine Meynung ist.
Othello. Das will ich auch nicht.
Jago. Thätet ihr's, Gnädiger Herr, so könntet ihr Folgen daraus ziehen, an die ich in der That nie gedacht habe. Cassio ist mein Freund und ein Mann der Verdienste hat--Gnädiger Herr, ich sehe, ihr seyd unruhig--
Othello. Nein, nicht sonderlich unruhig--ich denke nichts anders, als Desdemona ist tugendhaft.
Jago. Lange lebe sie so! Und lange möget ihr leben, so zu denken!
Othello. Und doch, wenn die Natur einmal aus ihrem Geleis getreten ist--
Jago. Das ist eben der Punct--Daß sie (wenn ich so frey seyn darf, es herauszusagen) so viele Partheyen, die ihr natürlicher Weise hätten angemeßner scheinen sollen, abgewiesen hat, um sich einem Liebhaber zu ergeben, dessen Landesart, Farbe und Alter dem ihrigen so entgegen gesezt war. In der That, das scheint etwas ausschweiffendes in ihrem Gemüth, eine gewisse Ueppigkeit und Unordnung ihrer Einbildung und ihrer Neigungen anzuzeigen. Doch ich bitte euch um Vergebung, ich rede eigentlich nicht von ihr ins besondere; ob ich gleich nicht ohne alle Sorge bin, so könnte, bey kühlerm Blut, darauf fallen, eure Gestalt mit derjenigen von ihren Landsleuten zu vergleichen, und sich vielleicht ihre Wahl gereuen zu lassen.
Othello. Leb wohl, leb wohl; wenn du etwas weiters merkest, so laß mich's wissen: Trag es deiner Frau auf, sie genau zu beobachten. Verlaß mich, Jago.
Jago. Ich beurlaube mich, gnädiger Herr.
(Er geht.)
Othello. O warum heurathete ich! Dieser ehrliche Mann sieht und weiß ohne Zweifel mehr, weit mehr, als er sagt.