Und sie kan auch weinen, Herr, weinen; und sie ist gehorsam; wie ihr sagtet, gehorsam; sehr gehorsam-- weint ihr nur fort--Was das anbetrift, mein Herr--O die Leidenschaften spielt sie vortreflich!--Ich bin zurükberuffen--

(zu Desdemona.) Pakt ihr euch fort, ich will gleich wieder nach euch schiken--Mein Herr, ich gehorche dem Oberherrlichen Befehl, und will nach Venedig zurük kehren--Weg, pake dich!--

(Desdemona geht ab.)

--Cassio soll meinen Plaz haben. Und ihr, mein Herr, werdet mir die Ehre erweisen, heute mit mir zu Nacht zu essen. Ihr seyd willkommen in Cypern--

(vor sich.) Geissen, und Affen!

{ed. * [Sind diese Venetianer,] denkt er hinzu.}

(Er geht ab.)

Siebende Scene. (Lodovico und Jago bleiben zurük.)

Lodovico. Ist diß der edle Mohr, den unser ganzer Senat sein Alles und Alles nennt? Ist diß das Gemüth, dessen standhafte Tugend keine Leidenschaft, kein Glük, kein Zufall erschüttern kan?

Jago. Er hat sich sehr verändert.

Lodovico. Ist er recht bey Sinnen? Leidet er etwann am Gehirn?

Jago. Er ist was er ist; ich mag nicht sagen, was ich denke. Ich wollte zu Gott, er wäre, was er seyn könnte, wenn er nicht ist, was er sollte.

Lodovico. Wie, seine Gemahlin schlagen!

Jago. In der That, es war nicht fein; und doch wünscht' ich, ich wißte, daß dieser Streich das ärgste wäre.

Lodovico. Ist er gemeiniglich so? oder würkte das Schreiben so stark auf sein Blut, daß er zum ersten mal sich selbst so ungleich war?

Jago. Es ist eine schlimme Sache, leider! Es wäre nicht anständig, wenn ich sagen wollte, was ich gesehen und gehört habe. Ihr werdet ihn durch euch selbst kennen lernen, und sein eignes Betragen wird ihn so charakterisieren, daß ich meine Worte sparen kan. Geht ihm nur nach, und seht, wie er fortfahren wird.

(Sie gehen ab.)

Achte Scene. (Verwandelt sich in einen Saal im Pallast.) (Othello und Aemilia treten auf.)

Othello. Ihr habt also nichts gesehen?

Aemilia. Noch jemals was solches gehört, oder nur gemuthmasset.

Othello. Ihr habt doch den Cassio und sie beysammen gesehen?

Aemilia. Aber da sah ich nichts böses, und ich hörte eine jede Sylbe, die sie mit einander redeten.

Othello. Wie, flüsterten sie niemals zusammen?

Aemilia. Niemals, Gnädiger Herr.

Othello. Und schikten sie euch niemals fort?

Aemilia. Niemals.

Othello. Etwann ihren Fächer, ihre Handschuhe, ihre Maske, oder so was zu holen?

Aemilia. Niemals, Gnädiger Herr.

Othello. Das ist seltsam!

Aemilia. Ich dürfte meine Seele an einem Pfahl wetten, Gnädiger Herr, daß sie ehrlich ist: Wenn ihr anders denkt, so verbannet diesen Gedanken, er betrügt euer Herz. Der Himmel vergelt' es dem Elenden, der es euch in den Kopf gesezt haben mag, mit dem Fluch der Schlange! Wahrhaftig, wenn sie nicht tugendhaft, keusch und getreu ist, so giebt's keinen glüklichen Mann auf Erden; so ist die reinste ihrer Weiber so häßlich als Lästerung.

Othello. Geh, ruffe sie hieher.

(Aemilia geht ab.)

Sie sagt genug; allein sie ist eine einfältige Kupplerin, die nicht mehr sagen kan--Das ist eine verschmizte Hure, die ihre garstigen Geheimnisse behutsam zu verriegeln weiß--und doch kniet sie euch in ihrem Zimmer hin, und betet: Das hab' ich selbst gesehen.

Neunte Scene. (Desdemona und Aemilia treten auf.)

Desdemona. Was ist euer Wille, mein Gemahl?

Othello. Kommt näher, Hühnchen, wenn ich bitten darf.

Desdemona. Was beliebt euch?

Othello. Laßt mich eure Augen sehen; seht mir in's Gesicht.

Desdemona. Was für eine entsezliche Einbildung kommt euch an?

Othello (Zu Aemilia.) Ein Stük von euerm Amt, Madam; laßt die handelnden Personen allein, und schließt die Thüre zu; hustet, oder ruft wenn jemand kommt. Euer Geheimniß, euer Geheimniß--nein, macht euch fort.

(Aemilia geht ab.)

Desdemona. Auf meinen Knien, was wollen diese Reden sagen? Ich sehe wol, daß etwas Entsezliches in euern Worten ist, aber ich verstehe sie dennoch nicht.

Othello. Wie? Was bist du?

Desdemona. Euer Weib, mein Herr; euer getreues, redliches Weib.

William Shakespeare
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