Gratiano. Ich erfreue mich euch zu sehen.

Jago. Wie geht's euch, Cassio? O, einen Arm-Sessel! Einen Arm-Sessel!

Gratiano. Rodrigo?

Jago. Er, Er, es ist Er--Wenn wir nur einen Sessel hätten, damit man ihn ohne Erschütterung von hier wegbringen könnte; ich will den Wund- Arzt des Generals holen. Ihr, Mamsel, könn't eure Mühe sparen. Der Mann, Cassio, der hier in seinem Blute ligt, war mein bester Freund. Was für ein Mißverständniß war denn zwischen euch?

Cassio. Keines in der Welt; ich kenn' ihn nicht einmal.

Jago. Wie? Ihr seht ganz bleich aus?--Oh, tragt ihn doch aus der freyen Luft!--Bleibt doch hier, meine Gnädige Herren--

(Zu Bianca.)

Seht ihr blaß aus, Mamsel?--Merkt ihr meine Herren, wie verstört ihre Augen herumfahren? Gut, gut, das bedeutet was, wir werden bald mehr hören. Betrachtet sie recht, ich bitte euch, seht sie an; seht ihr, meine Herren? O, ein böses Gewissen wird reden, wenn alle Sprachen abgegangen wären.

Fünfte Scene. (Aemilia zu den Vorigen.)

Aemilia. Ums Himmels willen, was giebt's hier? Was giebt's hier, Mann?

Jago. Cassio ist hier im Dunkeln von Rodrigo und seinen Gesellen, welche entsprungen sind, angefallen worden; er ist übel verwundet, und Rodrigo todt.

Aemilia. O Jammer! der arme Cavalier! der arme, gute Cassio!

Jago. Das sind die Früchte vom Huren-Leben--Ich bitte dich, Aemilia, geh, frage den Cassio, wo er heute zu Nacht gegessen habe--

(zu Bianca.)

Wie, zittert ihr vor dieser Frage?

Bianca. Er aß in meinem Hause zu Nacht, aber ich zittre nicht deßwegen.

Jago. O, that er das?--ich arretiere euch hier--kommt mit mir.

Aemilia. O fy, die garstige Hure!

Bianca. Ich bin keine Hure, ich bin eine so ehrliche Frau als ihr, die mich so beschimpfst!

Aemilia. Als ich? Pfuy, das garstige Ding!

Jago. Meine liebsten Herren, wir wollen dafür sorgen, daß Cassio verbunden wird. Kommt, Mamsell, wir wollen euch schon die Zunge lösen. Aemilia, lauft ihr in die Citadelle, und sagt dem General und der Gnädigen Frauen was begegnet ist: Wollt ihr voran gehen?--

(vor sich.)

Der Ausgang dieser Nacht wird mein Glük oder meinen Untergang entscheiden.

(Sie gehen ab, Jago zulezt.)

Sechste Scene. (Ein Schlaf-Zimmer. Desdemona in einem Bette, wovon der Vorhang halb weggezogen ist.) (Othello tritt mit einem Degen in einer, und einem Licht in der andern Hand auf.)

Othello. Die Beleidigung ist zu groß, zu groß, meine Seele--Laßt sie mich nicht vor euch nennen, ihr keuschen Sterne! Sie ist zu groß!--Und doch will ich ihr Blut nicht vergiessen, noch diese ihre Haut zerrizen, die weisser als Schnee, und so glatt wie Alabaster ist.

(Er legt seinen Degen nieder.)

Und doch muß sie sterben; sie würde sonst noch mehr Unglükliche machen. Das Licht ausgelöscht, und dann--Das Licht auslöschen--O du dienstbare Flamme, wenn ich dich auslösche, und es gereut mich, so kan ich dir dein Licht wieder geben: Aber wenn (dein) Licht einmal ausgeblasen ist, du vollkommenstes Modell der sich selbst übertreffenden Natur, so weiß ich nicht, wo dieser prometheische Funke ist, der es wieder anzünden kan--

(Er stellt das Licht hin.)

Wenn ich deine Rose abgepflükt habe, so kan ich ihr den belebenden Geist nicht wiedergeben; sie muß verwelken--Ich will dich noch am Stoke riechen--

(Er küßt sie.)

--O du balsamischer Athem, fast könntest du die Gerechtigkeit bewegen ihr Schwerdt zu zerbrechen--Noch einen; noch einen--Sey so, wenn du todt bist, und ich will dich erst ermorden, und dann lieben-- noch einen, der soll der lezte seyn--Holdseliges Geschöpf, wie Schade, daß du sterben sollst! Ich muß weinen, aber es sind grausame Thränen--Sie weinen auf die Hand, die dir den Tod bringt-- Sie erwacht.

Desdemona. Wer ist hier? Othello?

Othello. Ja, Desdemona.

Desdemona. Wollt ihr zu Bette kommen, mein Gemahl?

Othello. Habt ihr euer Nachtgebet gebetet, Desdemona?

Desdemona. Ja, mein Herr.

Othello. Wenn ihr euch noch irgend eines Verbrechens erinnert, worüber ihr euch mit dem Himmel noch nicht ausgesöhnt habt, so säumt euch nicht, um seine Gnade zu flehen.

William Shakespeare
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