Soll ich sie hereinlassen? Wär' es gut? Mich däucht, sie rührt sich wieder- -Nein--Was ist das Beste? Wenn sie herein kömmt, so wird sie mit meinem Weibe reden wollen; meinem Weib? Meinem Weib? Was für einem Weib? Ich habe kein Weib--O Unerträglich! o bange Stunde! Mich däucht, es sollte izt eine dichte Verfinsterung der Sonne und des Monds seyn, und der geschrekte Erdball sollte vor Entsezen beben--

Aemilia. Ich bitte euch, nur ein paar Worte, ach; mein lieber Gnädiger Herr! --

Othello. Ich hatte dich vergessen; oh, komm herein, Aemilia. Sachte, augenbliklich, ich muß nur erst den Vorhang ziehen.--Wer bist du? Was willst du?

(Er riegelt die Thür auf.)

(Aemilia kommt herein.)

Aemilia. Ach, Gnädiger Herr, es ist eine greuliche Mordthat begangen worden!

Othello. Wie? izt?

Aemilia. Eben izt, Gnädiger Herr.

Othello. Da hat der Mond die Schuld; er ist der Erde näher gekommen als seine Gewohnheit ist, und nun werden alle Leute toll.

Aemilia. Cassio hat einen jungen Venetianer, Rodrigo genannt, umgebracht.

Othello. Rodrigo umgebracht? und Cassio umgebracht?

Aemilia. Nein, Cassio ist nicht todt.

Othello. Cassio ist nicht todt? So ist die Rache nur halb befriedigt.

Desdemona. O unbillig, unbillig ermordet!--

Aemilia. Gott helf uns! was für ein Geschrey ist das?

Othello. Das? Was?

Aemilia. O Himmel, es war meiner Gnädigen Frauen Stimme. Zu Hülfe, zu Hülfe! He! zu Hülfe! O Gnädige Frau, redet weiter; englische Desdemona, o meine theureste Gebieterin, redet!

Desdemona. Ich sterbe unschuldig.

Aemilia. O, wer hat diese entsezliche That gethan?

Desdemona. Niemand, ich selbst, lebe wohl; bringe meinem gütigen Gemahl meinen lezten Gruß; o, lebe wohl.

(Sie stirbt.)

Othello. Wie, wie sollte sie ermordet worden seyn?

Aemilia. O Gott! wer weiß das?

Othello. Ihr hörtet's, sie sagte selbst, ich sey's nicht gewesen.

Aemilia. Sie sagte so, ich kan nichts anders sagen.

Othello. Sie ist als eine Lügnerin zur Hölle gefahren; ich war's, der sie ermordete.

Aemilia. Oh, desto mehr Engel ist sie nun, und du ein desto schwärzerer Teufel.

Othello. Sie ergab sich der Leichtfertigkeit, sie war eine Hure.

Aemilia. Du lästerst sie, du bist ein Teufel.

Othello. Sie war falsch wie Wasser.

Aemilia. Und du bist rasch wie Feuer, wenn du das sagst. Oh, sie war ein Engel von Unschuld.

Othello. Sie ließ sich von Cassio deken; frag deinen Mann, wenn du's nicht glauben willst. Welcher Abgrund in der flammenden Hölle wäre tief genug für mich, wenn ich ohne die stärksten Gründe so weit gegangen wäre? Dein Mann weiß alles.

Aemilia. Mein Mann?

Othello. Dein Mann.

Aemilia. Das sie ihrem Ehbett untreu war?

Othello. Ja, mit Cassio. Wäre sie treu gewesen, glaube mir, wenn mir der Himmel noch eine solche Welt, wie diese, aus einem einzigen ganzen Chrysolith hätte machen wollen, ich hätte sie nicht darum gegeben.

Aemilia. Mein Mann!

Othello. Ja, er war's, der mir die erste Nachricht davon gab. Er ist ein ehrlicher Mann, und ein Feind schändlicher Thaten.

Aemilia. Mein Mann!

Othello. Wozu soll diese doppelte Ausruffung, Weib? Ich sage, dein Mann.

Aemilia. O meine Gebieterin! Arglistige Bosheit hat die eifersüchtige Liebe betrogen, und du bist das Opfer. Mein Mann soll gesagt haben, sie sey ungetreu!

Othello. Er, Weibsbild; ich sage, dein Mann; verstehst du das Wort? Mein Freund, dein Mann, der ehrliche, rechtschaffne Jago.

Aemilia. Wenn er das sagt, so verderbe seine verruchte Seele in langsam marternden Qualen! Er lügt's in sein Herz hinein! Nur zu sehr liebte sie den hassenswürdigen Teufel, mit dem sie sich beladen hatte.

Othello. Ha!--

Aemilia. Thu dein ärgstes; diese greuliche That, die du gethan hast, ist den Himmel nicht mehr werth, wie du ihrer werth warst.

Othello. Schweigen wäre das rathsamste für dich.

Aemilia. Du kanst nicht halb so geneigt seyn, mir Leid anzuthun, als ich es wünsche: o Erzbetrüger! o dummer Kerl! dumm wie Mist! du hast eine That gethan--ich frage nichts nach deinem Degen, ich will bekannt machen wer du bist, und wenn ich zwanzig Leben zu verliehren hätte--Hülfe! Hülfe! He! Hülfe! Der Mohr hat meine Frau umgebracht.

William Shakespeare
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