Romeo und Julia

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MERCUTIO Und wolltet Ihr denn in die Liebe sinken? Ihr seid zu schwer für ein so zartes Ding.

ROMEO Ist Lieb ein zartes Ding? Sie ist zu rauh, Zu wild, zu tobend; und sie sticht wie Dorn.

MERCUTIO Begegnet Lieb Euch rauh, so tut desgleichen! Stecht Liebe, wenn sie sticht; das schlägt sie nieder.

(Zu einem andern aus dem Gefolge.)

Gebt ein Gehäuse für mein Antlitz mir:

(Eine Maske aufsetzend.)

'ne Larve für 'ne Larve!

(Bindet die Maske vor.)

Nun erspähe Die Neugier Mißgestalt: was kümmerts mich? Erröten wird für mich dies Wachsgesicht.

BENVOLIO Fort! Klopft, und dann hinein! Und sind wir drinnen, So rühre gleich ein jeder flink die Beine!

ROMEO Mir eine Fackel! Leichtgeherzte Buben, Die laßt das Estrich mit den Sohlen kitzeln. Ich habe mich verbrämt mit einem alten Großvaterspruch: Wer 's Licht hält, schauet zu! Nie war das Spiel so schön; doch ich bin matt.

MERCUTIO Jawohl, zu matt, dich aus dem Schlamme--nein, Der Liebe wollt ich sagen--dich zu ziehn, Worin du leider steckst bis an die Ohren. Macht fort, wir leuchten ja dem Tage hier.

ROMEO Das tun wir nicht.

MERCUTIO Ich meine, wir verscherzen, Wie Licht bei Tag, durch Zögern unsre Kerzen. Nehmt meine Meinung nach dem guten Sinn Und sucht nicht Spiele des Verstandes drin.

ROMEO Wir meinens gut, da wir zum Balle gehen; Doch es ist Unverstand.

MERCUTIO Wie? Laßt doch sehen!

ROMEO Ich hatte diese Nacht 'nen Traum.

MERCUTIO Auch ich.

ROMEO Was war der Eure?

MERCUTIO Daß auf Träume sich Nichts bauen läßt, daß Träume öfters lügen.

ROMEO Sie träumen Wahres, weil sie schlafend liegen.

MERCUTIO Nun seh ich wohl, Frau Mab hat Euch besucht.

[ROMEO Frau Mab, wer ist sie?

MERCUTIO] Sie ist der Feenwelt Entbinderin. Sie kommt, nicht größer als der Edelstein Am Zeigefinger eines Aldermanns, Und fährt mit 'nem Gespann von Sonnenstäubchen Den Schlafenden quer auf der Nase hin. Die Speichen sind gemacht aus Spinnenbeinen, Des Wagens Deck aus eines Heupferds Flügeln, Aus feinem Spinngewebe das Geschirr, Die Zügel aus des Mondes feuchtem Strahl; Aus Heimchenknochen ist der Peitsche Griff, Die Schnur aus Fasern; eine kleine Mücke Im grauen Mantel sitzt als Fuhrmann vorn, Nicht halb so groß als wie ein kleines Würmchen, Das in des Mädchens müßgem Finger nistet. Die Kutsch ist eine hohle Haselnuß, Vom Tischler Eichhorn oder Meister Wurm Zurechtgemacht, die seit uralten Zeiten Der Feen Wagner sind. In diesem Staat Trabt sie dann Nacht für Nacht; befährt das Hirn Verliebter, und sie träumen dann von Liebe, Des Schranzen Knie, der schnell von Reverenzen, Des Anwalts Finger, der von Sporteln gleich, Der Schönen Lippen, die von Küssen träumen; Oft plagt die böse Mab mit Bläschen diese, Weil ihren Odem Näscherei verdarb. Bald trabt sie über eines Hofmanns Nase, Dann wittert er im Traum sich Ämter aus, Bald kitzelt sie mit eines Zinshahns Federn Des Pfarrers Nase, wenn er schlafend liegt, Von einer bessern Pfründe träumt ihm dann; Bald fährt sie über des Soldaten Nacken, Der träumt sofort von Niedersäbeln, träumt Von Breschen, Hinterhalten, Damaszenern, Von manchem klaftertiefen Ehrentrunk; Nun trommelts ihm ins Ohr: da fährt er auf Und flucht in seinem Schreck ein paar Gebete Und schläft von neuem. Eben diese Mab Verwirrt der Pferde Mähnen in der Nacht Und flicht in struppges Haar die Weichselzöpfe, Die, wiederum entwirrt, auf Unglück deuten. Dies ist die Hexe, welche Mädchen drückt, Die auf dem Rücken ruhn, und die sie lehrt, Als Weiber einst die Männer zu ertragen. Dies ist sie--

ROMEO Still, o still, Mercutio! Du sprichst von einem Nichts.

MERCUTIO Wohl wahr, ich rede Von Träumen, Kindern eines müßgen Hirns, Von nichts als eitler Phantasie erzeugt, Die aus so dünnem Stoff als Luft besteht Und flüchtger wechselt als der Wind, der bald Um die erfrorne Brust des Nordens buhlt Und, schnell erzürnt, hinweg von dannen schnaubend, Die Stirn zum taubeträuften Süden kehrt.

BENVOLIO Der Wind, von dem Ihr sprecht, entführt uns selbst. Man hat gespeist; wir kamen schon zu spät.

William Shakespeare
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