Romeo und Julia

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BENVOLIO Halt ein, halt ein.

MERCUTIO Du wünschst, daß ich meine Ergüße unzeitig beende.

BENVOLIO Ansonsten wäre es dir zu lang geworden.

MERCUTIO O, du irrst dich; es wäre sogleich wieder kurz geworden, denn ich bin bereits in die volle Tiefe vorgedrungen und beabsichtigte in der Tat, auf dem Fall nicht länger herumzureiten.

ROMEO Seht den prächtigen Aufzug!

(Die Wärterin und Peter hinter ihr.)

MERCUTIO Was kommt da angesegelt?

BENVOLIO Zwei, zwei: ein Männerhemd und ein Unterrock.

WÄRTERIN Peter!

PETER Was beliebt?

WÄRTERIN Meinen Fächer, Peter!

MERCUTIO Gib ihn ihr, guter Peter, um ihr Gesicht zu verstecken. Ihr Fächer ist viel hübscher wie ihr Gesicht.

WÄRTERIN Schönen guten Morgen, Ihr Herren!

MERCUTIO Schönen guten Abend, schöne Dame!

WÄRTERIN Warum guten Abend?

MERCUTIO Euer Brusttuch deutet auf Sonnenuntergang.

WÄRTERIN Pfui, was ist das für ein Mensch?

ROMEO Einer, Verehrte, den Gott geschaffen hat, daß er sich selbst verderbe.

WÄRTERIN Schön gesagt, bei meiner Seele! Daß er sich selbst verderbe! Ganz recht! Aber, Ihr Herren, kann mir keiner von Euch sagen, wo ich den jungen Romeo finde?

ROMEO Ich kanns Euch sagen; aber der junge Romeo wird älter sein, wenn Ihr ihn gefunden habt, als er war, da Ihr ihn suchtet. Ich bin der Jüngste, der den Namen führt, weil kein schlechterer da war.

WÄRTERIN Gut gegeben.

MERCUTIO So? Ist das Schlechteste gut gegeben? Nun wahrhaftig: gut begriffen! Sehr vernünftig!

WÄRTERIN Wenn Ihr Romeo seid, mein Herr, so wünsche ich Euch insgeheim zu sprechen.

BENVOLIO Sie wird ihn irgendwohin auf den Abend bitten.

MERCUTIO Eine Kupplerin, eine Kupplerin! Ho, ho!

BENVOLIO Was witterst du?

MERCUTIO [Neue Jagd, neue Jagd!--] Kein Häschen, mein Herr; außer vielleicht einer Häsin, mein Herr, in einer Fastenspeise, die schon etwas schal und schimmelig-grau geworden ist, bevor sie vernascht wurde. (Singt.) Ein Has', ergraut, Und ein Has', ergraut, Welch sehr gute Fastenspeis'; Doch ein Has', der ergraut, Ist zu viel zugetraut, Wenns ergraut eh' ichs verspeis.

{Es ist sicher kein Zufall, daß das Wort "hoar" (ergraut) genauso klingt wie "whore" (Hure) und daß die sprichwörtliche Vermehrungsfreudigkeit der Hasen auch eine Interpretation von "hare" (Hase) als Hure nahelegt. So lautet die erste Zeile wörtlich "Ein alter Hase, (der) ergraut (ist)", doch der Zuhörer versteht "Eine alte Hure".}

Romeo, kommt nach Eures Vaters Hause, wir wollen zu Mittag da essen.

ROMEO Ich komme euch nach.

MERCUTIO Lebt wohl, alte Schöne! Lebt wohl, (Singt.) o Schöne--Schöne--Schöne!

(Benvolio und Mercutio gehen ab.)

WÄRTERIN Sagt mir doch, was war das für ein unverschämter Gesell, der nichts als Schelmstücke im Kopfe hatte?

ROMEO Jemand, der sich selbst gern reden hört, meine gute Frau, und der in einer Minute mehr spricht, als er in einem Monate verantworten kann.

WÄRTERIN Ja, und wenn er auf mich was zu sagen hat, so will ich ihn bei den Ohren kriegen, und wäre er auch noch vierschrötiger, als er ist, und zwanzig solcher Hasenfüße obendrein; und kann ichs nicht, so könnens andre. So 'n Lausekerl! Ich bin keine von seinen Kreaturen, ich bin keine von seinen Karnuten. (Zu Peter.) Und du mußt auch dabeistehen und leiden, daß jeder Schuft sich nach Belieben über mich hermacht!

PETER Ich habe nicht gesehn, daß sich jemand über Euch hergemacht hätte, sonst hätte ich geschwind vom Leder gezogen, das könnt Ihr glauben. Ich kann so gut ausziehen wie ein andrer, wo es einen ehrlichen Zank gibt und das Recht auf meiner Seite ist.

WÄRTERIN Nu, weiß Gott, ich habe mich so geärgert, daß ich am ganzen Leibe zittre. So 'n Lausekerl!--Seid so gütig, mein Herr, auf ein Wort! Und was ich Euch sagte: Mein junges Fräulein befahl mir. Euch zu suchen. Was sie mir befahl. Euch zu sagen, das will ich für mich behalten; aber erst laßt mich Euch sagen, wenn Ihr sie wolltet bei der Nase herumführen, sozusagen, das wäre eine unartige Aufführung, sozusagen.

William Shakespeare
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