Romeo und Julia

Page 23

Ich send an jemand Zu Mantua, wo der Verlaufne lebt, Der soll ein kräftig Tränkchen ihm bereiten, Das bald ihn zum Gefährten Tybalts macht. Dann wirst du hoffentlich zufrieden sein.

JULIA Fürwahr, ich werde nie mit Romeo Zufrieden sein, erblick ich ihn nicht--tot--, Wenn so mein Herz um einen Blutsfreund leidet. Ach, fändet Ihr nur jemand, der ein Gift Ihm reichte, gnädge Frau; ich wollt es mischen, Daß Romeo, wenn ers genommen, bald In Ruhe schliefe.--Wie mein Herz es haßt, Ihn nennen hören--und nicht zu ihm können, Die Liebe, die ich zu dem Vetter trug, An dem, der ihn erschlagen hat, zu büßen!

GRÄFIN CAPULET Findst du das Mittel, find ich wohl den Mann. Doch bring ich jetzt dir frohe Zeitung, Mädchen.

JULIA In so bedrängter Zeit kommt Freude recht. Wie lautet sie, ich bitt Euch, gnädge Mutter?

GRÄFIN CAPULET Nun Kind, du hast 'nen aufmerksamen Vater: Um dich von deinem Trübsinn abzubringen, Ersann er dir ein plötzlich Freudenfest, Des ich so wenig mich versah wie du.

JULIA Ei, wie erwünscht! Was wär das, gnädge Mutter?

GRÄFIN CAPULET Ja, denk dir, Kind, am Donnerstag frühmorgens Soll der hochedle, wackre junge Herr, Graf Paris, in Sankt Peters Kirche dich Als frohe Braut an den Altar geleiten.

JULIA Nun, bei Sankt Peters Kirch und Petrus selbst, Er soll mich nicht als frohe Braut geleiten! Mich wundert diese Eil, daß ich vermählt Muß werden, eh mein Freier kommt zu werben. Ich bitt Euch, gnädge Frau, sagt meinem Vater Und Herrn, ich wollte noch mich nicht vermählen, Und wenn ichs tue, schwör ich: Romeo, Von dem Ihr wißt, ich haß ihn, soll es lieber Als Paris sein.--Fürwahr, das ist wohl Zeitung!

GRÄFIN CAPULET Da kommt dein Vater, sag du selbst ihm das, Sieh, wie er sichs von dir gefallen läßt.

(Capulet und die Wärterin kommen.)

CAPULET Die Luft sprüht Tau beim Sonnenuntergang, Doch bei dem Untergange meines Neffen, Da gießt der Regen recht. Was? Eine Traufe, Mädchen? Stets in Tränen? Stets Regenschauer? In so kleinem Körper Spielst du auf einmal See und Wind und Kahn, Denn deine Augen ebben stets und fluten Von Tränen wie die See; dein Körper ist der Kahn, Der diese salzge Flut befährt; die Seufzer Sind Winde, die, mit deinen Tränen tobend, Wie die mit ihnen, wenn nicht Stille plötzlich Erfolgt, den hin und her geworfnen Körper Zertrümmern werden.--Nun, wie steht es, Frau? Hast du ihr unsern Ratschluß hinterbracht?

GRÄFIN CAPULET Ja, doch sie will es nicht, sie dankt Euch sehr. Wär doch die Törin ihrem Grab vermählt!

CAPULET Sacht, rede deutlich, rede deutlich, Frau! Was? Will sie nicht? Weiß sie uns keinen Dank? Ist sie nicht stolz? Schätzt sie sich nicht beglückt, Daß wir solch einen würdgen Herrn vermocht, Trotz ihrem Unwert, ihr Gemahl zu sein?

JULIA Nicht stolz darauf, doch dankbar, daß Ihrs tatet. Stolz kann ich nie auf das sein, was ich hasse, Doch dankbar selbst für Haß, gemeint wie Liebe.

CAPULET Ei seht mir, seht mir! Kramst du Weisheit aus? Stolz--und ich dank Euch--ner Schleife hin. Pfui, du bleichsüchtges Ding, du lose Dirne! Du Talggesicht!

GRÄFIN CAPULET O pfui! Seid Ihr von Sinnen?

JULIA Ich fleh Euch auf den Knien, mein guter Vater, Hört mit Geduld ein einzig Wort nur an!

CAPULET Geh mir zum Henker, widerspenstge Dirne! Ich sage dirs: zur Kirch auf Donnerstag, Sonst komm mir niemals wieder vors Gesicht. Sprich nicht! Erwidre nicht! Gib keine Antwort! Die Finger jucken mir. O Weib, wir glaubten Uns kaum genug gesegnet, weil uns Gott Dies eine Kind nur sandte; doch nun seh ich, Dies eine war um eines schon zuviel, Und nur ein Fluch ward uns in ihr beschert. Du Hexe!

WÄRTERIN Gott im Himmel segne sie! Eur Gnaden tun nicht wohl, sie so zu schelten.

CAPULET Warum, Frau Weisheit? Haltet Euern Mund, Prophetin! Schnattert mit Gevatterinnen!

WÄRTERIN Ich sage keine Schelmstück!

CAPULET Geht mit Gott!

WÄRTERIN Darf man nicht sprechen?

CAPULET Still doch, altes Waschmaul! Spart Eure Predigt zum Gevatterschmaus; Hier brauchen wir sie nicht.

William Shakespeare
Classic Literature Library

All Pages of This Book