ROMEO Nicht doch, du betrügst dich. Laß mich und tu, was ich dich heiße tun. Hast du für mich vom Pater keine Briefe?
BALTHASAR Nein, bester Herr.
ROMEO Es tut nichts; mach dich auf Und miete Pferd', ich komme gleich nach Haus.
(Balthasar ab.)
Wohl, Julia, heute nacht ruh ich bei dir. Ich muß auf Mittel sinnen.--O wie schnell Drängt Unheil sich in der Verzweiflung Rat! Mir fällt ein Apotheker ein; er wohnt Hier irgendwo herum.--Ich sah ihn neulich, Zerlumpt, die Augenbrauen überhangend; Er suchte Kräuter aus; hohl war sein Blick, Ihn hatte herbes Elend ausgemergelt. Ein Schildpatt hing in seinem dürftgen Laden, Ein ausgestopftes Krokodil und Häute Von mißgestalten Fischen; auf dem Sims Ein bettelhafter Prunk von leeren Büchsen Und grüne Töpfe, Blasen, muffger Samen, Bindfaden-Endchen, alte Rosenkuchen, Das alles dünn verteilt, zur Schau zu dienen. Betrachtend diesen Mangel, sagt ich mir: Bedürfte jemand Gift hier, des Verkauf In Mantua sogleich zum Tode führt, Da lebt ein armer Schelm, ders ihm verkaufte. Oh, der Gedanke zielt' auf mein Bedürfnis, Und dieser dürftge Mann muß mirs verkaufen. Soviel ich mich entsinn, ist dies das Haus. Weils Festtag ist, schloß seinen Kram der Bettler. Hei Holla! Apotheker!
(Der Apotheker kommt heraus.)
APOTHEKER Wer ruft so laut?
ROMEO Mann, komm hieher!--erregt mir Schrecken.
(Entfernt sich.)
ROMEO O du verhaßter Schlund, du Bauch des Todes, Der du der Erde Köstlichstes verschlangst, So brech ich deine morschen Kiefer auf
(Er bricht die Tür des Grabmals auf.)
Und will, zum Trotz, noch mehr dich überfüllen.
(Er bricht die Tür des Gewölbes auf.)
PARIS Ha, der verbannte, stolze Montague, Der Juliens Vetter mordete; man glaubt, An diesem Grame starb das holde Wesen. Hier kommt er jetzt, um niederträchtgen Schimpf Den Leichen anzutun; ich will ihn greifen!
(Tritt hervor.)
Laß dein verruchtes Werk, du Montague! Wird Rache übern Tod hinaus verfolgt? Verdammter Bube, ich verhafte dich; Gehorch und folge mir, denn du mußt sterben.
ROMEO Fürwahr, das muß ich; darum kam ich her. Versuch nicht, guter Jüngling, den Verzweifelnden! Entflieh und laß mich; denke dieser Toten! Laß sie dich schrecken!--Ich beschwör dich, Jüngling, Lad auf mein Haupt nicht eine neue Sünde, Wenn du zur Wut mich reizest; geh, o geh, Bei Gott, ich liebe mehr dich wie mich selbst, Denn gegen mich gewaffnet komm ich her. Fort, eile, leb und nenn barmherzig ihn, Den Rasenden, der dir gebot zu fliehn!
PARIS Ich kümmre mich um dein Beschwören nicht Und greife dich als Missetäter hier.
ROMEO Willst du mich zwingen? Knabe, sieh dich vor!
(Sie fechten.)
PAGE Sie fechten! Gott, ich will die Wache rufen.
PARIS O ich bin hin!--
(Fällt.)
Hast du Erbarmen, öffne Die Gruft und lege mich zu Julien.
(Er stirbt.)
ROMEO Auf Ehr, ich wills.--Laßt sein Gesicht mich schaun. Mercutios edler Vetter ists, Graf Paris. Was sagte doch mein Diener, weil wir ritten, Als die bestürmte Seel es nicht vernahm? Ich glaube, Julia habe sich mit Paris Vermählen sollen: sagt' er mir nicht so? Wie, oder träumt ichs? Oder bild ichs mir Im Wahnsinn ein, weil er von Julien sprach? O gib mir deine Hand, du, so wie ich, Ins Buch des herben Unglücks eingezeichnet! Ich bette dich in eine stolze Gruft. Doch Gruft? Nein, helle Wölbung, Jungerschlagner! Denn hier liegt Julia: ihre Schönheit macht Dies Grab zur Feierhalle voll von Licht. Toter, lieg da, von totem Mann begraben!
(Er legt Paris in das Begräbnis.)
Wie oft sind Menschen, schon des Todes Raub, Noch fröhlich worden! Ihre Wärter nennens Den letzten Lebensblitz. Wohl mag nun dies Ein Blitz mir heißen.--O mein Herz! Mein Weib! Der Tod, der deines Odems Balsam sog, Hat über deine Schönheit nichts vermocht. Noch bist du nicht besiegt; der Schönheit Fahne Weht purpurn noch auf Lipp und Wange dir; Hier pflanzte nicht der Tod sein bleiches Banner.-- Liegst du da, Tybalt, in dem blutgen Tuch? O welchen größern Dienst kann ich dir tun, Als mit der Hand, die deine Jugend fällte, Des Jugend, der dein Feind war, zu zerreißen? Vergib mir, Vetter!--Liebe Julia, Warum bist du so schön noch? Soll ich glauben, Der körperlose Tod entbrenn in Lieb Und der verhaßte, hagre Unhold halte Als seine Buhle hier im Dunkeln dich? Aus Furcht davor will ich dich nie verlassen Und will aus diesem Palast dichter Nacht Nie wieder weichen.