Kommt, geht mit mir--Du, Bursche, geh, trotte ganz Verona durch, und lade die Personen zu mir ein, deren Namen auf diesem Zettel stehen--
{ed.-* Hr. Warbürton ist der Welt als ein grosser Criticus bekannt, und es ist gewiß, daß wir seiner Scharfsinnigkeit viele Verbesserungen unsers durch die Schauspieler so übel zugerichteten Autors zu danken haben. Dem ungeachtet, scheint er zuweilen in den fast allgemeinen Fehler der Verbal-Critiker zu fallen, und mit dem Shakespear nicht viel besser zu verfahren, als der gelehrte Bentley mit dem Horaz. Hier ist ein Beyspiel davon, das wir zur Probe anführen wollen, ob es gleich sonst desto unnöthiger ist, die Leser mit critischen Noten zu behelligen, da selbige die Kenntniß der Englischen Sprache voraussezen, und diese Übersezung nur für diejenige gemacht ist, die das Original nicht lesen können. Warbürton nennt den Vers: (Earthtreading stars that make dark heaven's Light), Unsinn, und will daß man lesen soll: (That make dark Even light)--Eine Verbesserung im echten Bentleyischen Geschmak! Die Verbesserung ist wahrer Unsinn, der Text aufs höchste eine weder ungewöhnliche noch unschikliche Hyperbole. Es ist etwas sehr mögliches, daß die irdischen Sterne, welche Shakespear meynt, bey einem Bal den Glanz der himmlischen in den Augen eines jungen Liebhabers verdunkeln; und das ist der natürlichste Sinn des Texts: Aber daß eine ganze Schaar der schimmerndsten Schönen durch den blossen Glanz ihrer Augen, einen Tanzsaal so wol erleuchten sollte, daß man die Lichter dabey ersparen könnte, ist mehr als man auch der feurigsten Orientalischen Einbildungskraft zumuthen dürfte. Wenn wir, wie schon öfters geschehen ist, die Lesart des Texts der vermeynten Verbesserung des Hrn. Warbürtons vorziehen, so geschieht es allemal mit so gutem Grund als dieses mal, obgleich manche von denenjenigen, die wir verwerfen, seinem Wiz mehr Ehre machen, als die gegenwärtige.}
(Capulet und Paris gehen ab.)
Bedienter. Lade mir die Personen ein, die auf diesem Zettel stehen--Es steht geschrieben, der Schuster soll sich mit seinem Ellen-Stab abgeben, der Schneider mit seinem Leist, der Fischer mit seinem Pinsel, und der Mahler mit seinem Nez. Aber ich soll die Personen finden, deren Namen hier geschrieben sind, und kan doch nicht finden, was für Namen die schreibende Person hieher geschrieben hat. Ich muß mich bey den Gelehrten Raths erholen--Da lauffen mir gerad ihrer ein Paar in die Hände--
(Benvolio und Romeo treten auf.)
Benvolio. Still, Mann! Eine Hize treibt die andre aus, und die Pein eines Schmerzens wird durch einen andern Schmerz vermindert; wenn dir taumlicht ist, so hilfst du dir damit, daß du dich wieder zurük drehest, und deiner Hoffnungslosen Liebe kan nicht besser als durch eine neue geholfen werden.
Romeo. Wegbreit-Blätter sind unvergleichlich für das.
Benvolio. Für was, wenn man bitten darf?
Romeo. Für euern Beinbruch.
Benvolio. Wie, Romeo, bist du toll?
Romeo. Nicht toll, aber fester angebunden als irgend einer im Tollhause; in ein Gefängniß eingesperrt, zur Hunger-Cur verurtheilt, gepeitscht und gepeinigt: Und--guten Abend, Camerad--
(Zum Bedienten.)
Bedienter. Einen guten Abend geb' euch Gott: Ich bitte euch, Herr, könnt ihr lesen?
Romeo. Ja, mein Schiksal in meinem Unglük.
Bedienter. Vielleicht habt ihr ohne Buch lesen gelernt; aber ich bitte euch, könnt ihr alles lesen was ihr seht?
Romeo. Ja, wenn ich die Buchstaben und die Sprache weiß.
Bedienter. Das ist gesprochen wie ein Bidermann--Gott behüt' euern guten Humor!
(Er will gehen.)
Romeo. Bleib, Bursche, ich kan lesen--(Er ließt das Papier.) Signor Martino und seine Frau und Töchter: Graf Anselmo und seine schönen Schwestern; die verwittibte Donna Vitruvia; Signor Placentio und seine liebenswürdige Nichten; Mercutio und sein Bruder Valentin; mein Oheim Capulet mit Frau und Töchtern; meine schöne Nichte Rosalinde; Livia, Signor Valentio und sein Vetter Tybalt; Lucio, und die lebhafte Signora Helena-- Eine hübsche Assamblee, und wohin sollen sie kommen?
Bedienter. Herauf--
Romeo. Wohin?
Bedienter. Zum Nacht-Essen in unser Haus.