Juliette. Geh, frage nach seinem Namen

(leise.)

Wenn er schon vermählt ist, so ist sehr wahrscheinlich, daß mein Grab mein Braut-Bette seyn wird.

Amme. Er heißt Romeo, er ist ein Montague, der einzige Sohn von unserm großen Feind.

Juliette (vor sich.) O Himmel! der, den ich einzig lieben kan, ist der, den ich einzig hassen sollte--Zu früh gesehn, eh ich ihn kannte; und zu spät erkannt; was für eine seltsame Mißgeburt ist meine Liebe--ich liebe-- meinen verhaßtesten Feind.

Amme. Was sagtet ihr da? Was habt ihr?

Juliette. Ein paar Reime, die ich eben von einem gelernt, mit dem ich tanzte.

(Man ruft hinter der Scene Juliette.)

Amme. Gleich, gleich; Kommt, wir wollen gehen, die Fremden sind schon alle fort.

(Sie gehen ab.)

([Zum Beschluß dieses Aufzugs tritt ein Chor auf, und sagt den Zuschauern in vierzehn Reimen, was sie vermuthlich von selbst errathen hätten--daß Romeo, seit der Nacht, da er die schöne Juliette gesehen, seine erste Liebste nicht mehr schön befunden-- daß er nun Julietten liebe, und von ihr wieder geliebt werde)--(daß die tödtliche Feindschaft ihrer Häuser zwar die Sympathie ihrer Herzen nicht habe verhindern können, aber ihnen hingegen alle Gelegenheit abschneide, sich zu sehen und zu sprechen, ohne daß jedoch dieser harte Zwang eine andre Würkung gethan habe, als die Heftigkeit ihrer Liebe und Sehnsucht zu verdoppeln.])

Zweyter Aufzug.

Erste Scene. (Die Strasse.) (Romeo tritt allein auf.)

Romeo. Kan ich weggehen, wenn mein Herz hier ist? Dreh dich zurük, plumpe Erde, und suche deinen Mittelpunct.

(Er geht ab.)

(Indem er sich entfernt, treten Benvolio und Mercutio von der andern Seite auf und werden ihn gewahr.)

Benvolio. Romeo, Vetter Romeo!

Mercutio. Er ist klug, und schleicht sich, auf mein Leben, heim zu Bette.

Benvolio. Nein er lief diesen Weg, und sprang dort über die Garten-Mauer. Ruf ihm, Mercutio!

Mercutio. Nicht nur das, ich will ihn gar beschwören. He! Romeo! Grillenfänger! Wetterhahn! Tollhäusler! Liebhaber! Erscheine du, erschein in der Gestalt eines Seufzer, rede, aber in lauter Reimen, und ich bin vergnügt. Ächze nur, Ach und O! reime nur Liebe und Triebe, sag meiner Gevatterin Venus nur ein einziges hübsches Wörtchen, häng' ihrem stokblinden Sohn und Erben nur einen einzigen Über-Namen an, (dem jungen Abraham Cupido, ihm der so gut schoß, als König Cophetua um ein Bettel-Mädchen seufzte*--doch er hört nicht, er rührt sich nicht, er giebt kein Zeichen von sich; der Affe ist todt, ich muß ihn schon beschwören--So beschwör' ich dich dann bey Rosalinens schönen Augen, bey ihrer hohen Stirne, und bey ihren Purpur-Lippen, bey ihrem niedlichen Fuß, schlanken Bein, runden Knie, und bey den angrenzenden schönen Gegenden, beschwör' ich dich, daß du uns in deiner eignen Gestalt erscheinest!

{ed.-* Eine doppelte Anspielung, auf eine alte Ballade, oder Romanze, und einen damals bekannten Schüzen, der Abraham hieß.}

Benvolio. Wenn er dich hörte, würdest du ihn böse machen.

Mercutio. Das kan ihn nicht böse machen: Das würd' ihn böse machen, wenn ich einen Geist von irgend einer seltsamen Gestalt in seines Mädchens Circel citierte, und ihn so lange dort stehen liesse, bis sie ihn gelegt und zu Boden beschworen hätte; das wäre was, das er vielleicht übel nehmen könnte--Aber meine Citation ist ehrlich und redlich, und ich beschwör' ihn, in seiner Liebsten Namen, einzig und allein zu seinem eignen Besten.

Benvolio. Kommt, er hat sich vermuthlich hinter diese Bäume verstekt, um keine andre Gesellschaft zu haben, als die schwermüthige Nacht; die Liebe ist blind, und schikt sich am besten in die Dunkelheit.

Mercutio. Izt wird er dir unter einem Mispeln-Baum sizen, und wünschen, daß seine Liebste von der Art von Früchten seyn möchte, welche die Mädchens Mispeln nennen, wenn sie allein zusammen schwazen--Gute Nacht, Romeo, ich will in mein Roll-Bette, ich; dieses Feld-Bette ist mir zu kalt; kommt, wollen wir gehen?

Benvolio. Es wird klüger seyn, als hier jemand zu suchen, der sich nicht finden lassen will.

William Shakespeare
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