Komm, Strik-Leiter; komm, Amme; ich will in mein Braut- Bette, um dem Tod, nicht meinem Romeo in die Arme zu sinken.*

{ed.-* Im Original sagt Juliette: (And Death, not Romeo, take my Maidenhead!)--Shakespear mußte einen Reim auf den vorhergehenden Vers haben, und es ist kein Unsinn, keine Unanständigkeit, die er sich nicht erlauben sollte, um sich nicht lang auf einen Reim besinnen zu dürfen.}

Amme. Geht in euer Zimmer; ich will den Romeo aufsuchen, der euch trösten soll. Ich weiß wol wo er ist; ich will zu ihm, er ist in Bruder Lorenzens Celle.

Juliette. O such ihn, find ihn, gieb ihm diesen Ring, und bitt' ihn daß er komme, sein leztes Lebewohl zu nehmen.

(Sie gehen ab.)

Fünfte Scene. (Verwandelt sich in das Kloster.) (Bruder Lorenz und Romeo treten auf.)

Bruder Lorenz. Romeo, komm hervor, hervor du furchtsamer Mann; der Kummer ist in deine Schönheit verliebt, und du bist mit der Wiederwärtigkeit verheurathet.

Romeo. Was bringt ihr mir neues, mein Vater? Was ist des Prinzen Urtheil? Was für ein noch unbekanntes Elend will Bekanntschaft mit mir machen?

Lorenz. Nur allzuvertraut ist mein theurer Sohn mit so beschwerlicher Gesellschaft. Ich bringe dir Nachricht von des Prinzen Urtheil.

Romeo. Was weniger kan mein Urtheil seyn als der Tod?

Lorenz. Ein milderer Spruch ergieng von seinen Lippen--Nicht dein Tod, nur deine Verbannung.

Romeo. Ha! Verbannung! Sey mitleidiger, sage, Tod; denn Verbannung hat weit mehr schrekliches in ihren Bliken als der Tod selbst. Sage nicht, Verbannung.

Lorenz. Hier aus Verona bist du verbannt; sey geduldig, die Welt ist weit und breit.

Romeo. Ausser Verona's Mauern ist keine Welt, sondern nichts als Fegfeuer, Abgrund und Hölle. Von hier verbannt ist aus der ganzen Welt verbannt, und aus der Welt verbannt seyn, ist Tod. Dieses (verbannt) ist nur ein unrecht benannter Tod; wenn du den Tod Verbannung nennst, so ist das nichts bessers als ob du mir den Kopf mit einem goldnen Beil abhautest und zu dem Streich lächeltest, womit du mir das Leben nimmst.

Lorenz. O Todsünde! O rohe Undankbarkeit! Auf dein Vergehen sezt unser Gesez den Tod; der gütige Fürst tritt dazwischen, stößt das Gesez auf die Seite, und verwandelt das schwarze Wort Tod in Verbannung; welch eine Gnade, und du siehst sie nicht?

Romeo. Marter ist's, nicht Gnade! Der Himmel ist da, wo Juliette lebt; jede Kaze, jeder Hund, jede kleine Maus, jedes unwürdige Ding lebt hier im Himmel, und kan sie ansehen, nur Romeo nicht. Armselige Schmeis-Fliegen haben mehr Recht, sind achtbarer, edler, glüklicher als Romeo; sie können sich auf die weisse Hand meiner theuren Juliette sezen, und unsterbliche Wonne von ihren Lippen stehlen-- Fliegen können das thun, indeß daß ich von ihr fliehen muß; und sagst du noch, daß Verbannung nicht Tod ist?--Sie können's, nur Romeo kan nicht, denn er ist verbannt--Hast du keinen Gift-Trank, keinen Dolch, kein plözliches Todes-Werkzeug, (so elend es seyn mag, kan es doch nicht so elend seyn als verbannt) mir das Leben zu nemmen? Ha! Verbannt! O Vater, die Verdammten in der Hölle brauchen dieses Wort, und Heulen folgt darauf--Wie kanst du so unbarmherzig seyn, du ein Mann Gottes, ein geistlicher Vater, ein Beichtiger, und mein erklärter Freund, mich mit diesem verfluchten Wort, zu zerschmettern?

Lorenz. Wahnwiziger, liebeskranker Thor, höre mich reden--

Romeo. O du willst wieder von Verbannung anfangen--

Lorenz. Ich will dir Waffen geben, wodurch du dieses Wort von dir abhalten kanst; die süsse Milch der Wiederwärtigkeit--Philosophie, die dich beruhigen wird, ob du gleich verbannt bist.

Romeo. Immer noch verbannt? An den Galgen mit Philosophie; wenn Philosophie nicht eine Juliette machen, eine Stadt versezen, die Urthel eines Prinzen aufheben kan, so hilft sie nicht, so nüzt sie nichts, sagt mir nichts mehr davon--

Lorenz. Nun dann, tolle Leute haben keine Ohren, wie ich sehe.

Romeo. Wie sollten sie, wenn kluge Leute keine Augen haben?

Lorenz. Komm, laß uns vernünftig von deinen Umständen reden--

Romeo. Du kanst von dem nicht reden was du nicht fühlst; wärest du so jung wie ich, und wäre Juliette deine Liebste, wärst du vor einer Stunde mit ihr verheurathet, und hättest in dieser Stunde Tybalten umgebracht, und liebtest bis zum Wahnwiz wie ich, und wärest wie ich verbannt--dann möchtest du reden, dann möchtest du dir die Haare ausrauffen, und dich auf den Boden werfen, wie ich izt thue, und das Maas zu deinem Grabe nemmen.

William Shakespeare
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