Timon von Athen

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Timon. Ich bitte euch, geht ihnen entgegen, ladet sie zu mir ein--ihr müßt schlechterdings mit mir zu mittagessen--Geht nicht von hier bis ich euch gedankt habe, und nach dem Essen, zeigt mir dieses Stük; ich erfreue mich euch zu sehen. (Alcibiades und seine Begleiter treten auf.) Sehr willkommen, mein Herr.

(Sie büken sich, und umarmen einander.)

Apemanthus. So, so! daß euch die Gicht lähme und ausdörre, ihr biegsamen Gelenke! Warum sollten auch diese artigen süssen Schelmen einander nicht lieb haben! Wahrhaftig das menschliche Geschlecht wird zu lauter Affen und Meerkazen.

Alcibiades. Ich sehnte mich so sehr euch zu sehen, daß ich es nicht satt werden kan.

Timon. Sehr willkommen, mein Herr; ehe wir scheiden, wollen wir einige Tage mit allerhand Lustbarkeiten zubringen. Ich bitte euch, laßt uns hinein gehen.

(Sie gehen ab.)

Vierte Scene. (Apemanthus bleibt; zu ihm Lucius und Lucullus.)

Lucius. Wie viel ist die Zeit, Apemanthus?

Apemanthus. Zeit ehrlich zu seyn.

Lucius. Diese Zeit ist immer.

Apemanthus. Ein desto schlimmerer Bube bist du, daß du sie immer vorbeylässest.

Lucullus. Gehst du zu des Lord Timons Gastmahl?

Apemanthus. Ja, um zu sehen, wie Speisen Schelme fällen, und Wein Narren erhizt.

Lucius. Lebe wohl, lebe wohl.

Apemanthus. Du bist ein Narr, daß du mir zweymal lebe wohl sagst.

Lucullus. Warum, Apemanthus?

Apemanthus. Du hättest eines für dich selbst behalten sollen, denn von mir kriegst du keines.

Lucius. Häng' dich auf!

Apemanthus. Nein, ich will nichts thun, das du mir sagst; mache deine Fordrungen an deinen Freund.

Lucius. Hinweg du unverträglicher Hund, oder--ich stosse dich mit den Füssen hinaus.

Apemanthus. Ich will fliehen, wie ein Hund vor den Hinterfüssen eines Esels.

Lucius. Er ist ein Antipode der Menschlichkeit. Kommt, wollen wir hineingehen, und an Lord Timons Freygebigkeit Antheil nehmen? In der That er übertrift die Güte selbst.

Lucullus. Das thut er. Plutus, der Gott des Reichthums ist nur sein Haus- Hofmeister: Das kleinste Verdienst, das sich jemand um ihn macht, bezahlt er siebenfältig über seinen Werth; und das kleinste Geschenk das er annimmt, zieht dem Geber eine Erstattung zu, die alle gewöhnliche Erkenntlichkeit übertrift.

Lucius. Er hat das edelste Gemüth, das jemals einen Mann regiert hat.

Lucullus. Mög' er lang' in diesem glüklichen Stande leben, wollen wir hinein?

Lucius. Ich will euch Gesellschaft leisten.

(Sie gehen ab.)

Fünfte Scene. (Ein grosser Saal in Timons Hause.) (Eine Musik mit Hautbois; Es wird ein grosses Banquet aufgetragen; Timon, Lucius, Lucullus, Sempronius und andre Atheniensische Senatoren, treten mit Ventidius auf. Wenn alle herein gekommen sind, schlendert auch Apemanthus, mit mißvergnügtem Gesicht, hinter ihnen drein.)

Ventidius. Höchstgeehrter Timon! es hat den Göttern gefallen, meinen alten Vater in seine Ruhe eingehen zu lassen. Er ist glüklich vom Schauplaz gegangen, und hat mich reich hinterlassen. Ich gebe euch also, wie die Dankbarkeit gegen euer großmüthiges Herz mich verpflichtet, diese Talente, durch deren Hülf ich meine Freyheit wieder erlangt, mit verdoppeltem Dank und Erbietung meiner Gegendienste zurük.

Timon. O, das kan nicht seyn, mein rechtschaffner Ventidius; ihr mißkennet meine Freundschaft: Ich gab sie mit willigem Herzen hin; und wer kan mit Wahrheit sagen, daß er gebe, wenn er wieder empfängt? Wenn höhere als wir sind es thun, so steht es doch uns nicht an.

Apemanthus. Ahme ihnen kühnlich nach; nüzliche Laster sind schön.

Ventidius. Welch eine edle Denkungsart!

Timon,

(indem er sieht, daß seine Gäste viele Complimente und Umstände machen, eh sie sich sezen.)

Ceremonien sind nur erfunden worden, um falschen Thaten, holen Bewillkommungen, und erzwungner Gutthätigkeit eine Glasur zu geben; aber, wo wahre Freundschaft ist, bedarf es nichts dergleichen. Ich bitte euch, nehmet Plaz; ihr seyd mir willkommner zu meinem Wohlstand, als er mir selbst ist.

William Shakespeare
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