Timon von Athen

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das kleine Kästchen her.

Flavius. Ja, Gnädiger Herr.

(Bey Seite.)

Noch mehr Juweelen? Man darf ihm nicht einreden, wenn er in einer Laune ist, sonst sollt ich ihm sagen--Gut!--In der That ich sollte; wenn es zu späte seyn wird, wird er selbst wünschen, daß man ihm eingeredet hätte. Es ist zu bedauren, daß die Freygebigkeit hinten am Kopf keine Augen hat, damit ein ehrlicher Mann nicht durch ein allzu gutes Herz unglüklich werden könnte.

Lucullus. Wo sind unsre Leute?

Bedienter. Hier, Gnädiger Herr.

Lucullus. Unsre Pferde!

Timon. O meine guten Freunde!

(zu Lucullus.)

Ich hab' euch nur ein Wort zu sagen: Sehet hier Mylord; ich bitte euch, erweißt mir die Ehre, dieses Kleinod anzunehmen und zu tragen, mein gütiger Lord!

Lucullus. Ich bin schon so sehr euer Schuldner--

Alle. Das sind wir alle.

(Lucius, Lucullus, und die übrigen gehen ab.)

Siebende Scene. (Ein Bedienter zu Timon.)

Bedienter. Gnädiger Herr, etliche Edelleute, die kürzlich in den Senat befördert worden, wollen euch ihren Besuch machen.

Timon. Sie sind höchstens willkommen. (Flavius kommt wieder zurük.)

Flavius. Ich bitte Euer Gnaden, erlaubet mir ein Wort; es geht euch sehr nah an.

Timon. Mich? Nun, so will ich dich ein andermal anhören. Ich bitte, sorge davor, daß wir ihnen mit etwas aufwarten können.

Flavius (vor sich.) Ich weiß kaum womit. (Ein andrer Bedienter.)

2. Bedienter. Mit Euer Gnaden Erlaubniß, Lord Lucius macht euch aus Freundschaft und Erkenntlichkeit ein Geschenk von vier milchweissen Pferden, mit Silber angeschirrt.

Timon. Ich werde sie auf eine edle Art annehmen;

(zu Flavius.)

Sorget davor, daß ihnen wohl gewartet werde. (Ein dritter Bedienter.) Was giebt's? was neues?

3. Bedienter. Mit Euer Gnaden Erlaubniß, der hochgebohrne Lord Lucullus bittet sich Euere Gesellschaft morgen auf eine Jagd aus, und hat Euer Gnaden zwo Kuppeln Windhunde hergeschikt.

Timon. Ich will mit ihm jagen; ich will sie annehmen, und nicht vergessen, ihm einen schönen Ersaz zu thun.

Flavius (vor sich.) Wo will das hinkommen? Er befiehlt uns immer Provisionen zu machen, und macht grosse Präsente, und alles aus einer leeren Kiste. Und doch will er nicht leiden, daß ich ihm zeige, was für ein Bettler seine Freygebigkeit ist; seine Versprechungen fliegen soweit über sein Vermögen hinaus, daß er für alles was er spricht, für jedes Wort, schuldig werden müßte. Er ist so gut, daß er Intressen bezahlt, um Andern Freygebigkeiten zu erzeigen. Alle seine Güter stehen in den Schuldbüchern seiner Gläubiger. Gut! ich wollte ich würde mit einer guten Art meines Diensts entsezt, eh ich gezwungen werde ihn zu verlassen. Glüklicher ist wer gar keine Freunde zu füttern hat, als solche, die noch schlimmer sind als seine erklärten Feinde selbst. Mein Herz blutet mir vor meinen Herren.

(Er geht ab.)

Timon. Ihr thut euch selbst unrecht, ihr verringert eure Verdienste zu sehr. Hier, Milord, ein kleines Merkmal unsrer Freundschaft.

1. Lord. Ich nehm' es mit höchstem Dank an.

2. Lord. Er hat das großmüthigste Herz von der Welt.

Timon. Ah, ich erinnere mich erst izt, Milord, daß euch neulich das Castanien-braune Pferd, worauf ich ritt, wohl zu gefallen schien: Es ist euer, weil es euch gefällt.

3. Lord. O ich bitte euch um Verzeihung, Milord, was das betrift.

Timon. Nehmt mein Wort dafür, Milord; ich weiß, niemand kan etwas nach Verdienst loben, als was er liebt. Ich schäze meines Freundes Geschmak nach meinem eignen! ich spreche in vollem Ernst--Meine Herren, ich werde mich bey euch melden lassen.

Alle Lords. O! niemand wird uns so willkommen seyn.

Timon. Alle Besuche, und besonders die eurigen, sind mir so werth und angenehm, daß es nicht genug ist, wenn ich euch davor danke; ich könnte Königreiche unter meine Freunde austheilen, und es nie müde werden. Alcibiades, du bist ein Soldat, und also selten reich; deine Einkünfte sind unter den Todten, und deine Ländereyen ligen in einem Schlachtfeld --

Alcibiades. Es ist noch Land's genug einzunehmen, Milord.

William Shakespeare
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