Timon von Athen

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Empfehlt mich Sr. Gnaden zu geneigtem Wohlwollen, und ich hoffe, Se. Gnaden werde keine schlimmere Meynung deßwegen von mir fassen, weil ich nicht im Stande bin, ihm meine Dienstwilligkeit zu zeigen. Und sagt ihm in meinem Namen, ich rechne es unter meine grösten Widerwärtigkeiten, daß ich einem so würdigen Edelmann nicht zu Gefallen seyn könne. Mein guter Servilius, wollt ihr so viel Freundschaft für mich haben, und ihm meine eignen Worte hinterbringen?

Servilius. Ja, Herr, ich will.

(Servilius geht ab.)

Lucius. Ich will euch eine ziemliche Streke nachsehen, Servilius--Es ist, wie ihr sagtet; Timon ist hin, in der That; wer kan helfen? Euer Diener, meine Herren.

(Er geht ab.)

1. Fremder. Merkt ihr das, Hostilius?

2. Fremder. Nur gar zu wohl.

1. Fremder. Das ist der Lauf der Welt; so denken alle Schmeichler: Wer kan den seinen Freund nennen, der in Eine Schüssel mit ihm taucht? Denn, wie mir bekannt ist, war Lord Timon wie ein Vater zu diesem Herrn; er unterhielt seinen Credit und seine Haushaltung aus seinem Beutel, und bezahlte sogar seinen Bedienten ihren Lohn. Er trinkt nie, ohne daß Timons Silber seine Lippen drükt; und dennoch--o! was für ein Ungeheuer ist der Mensch, wenn er aus einer undankbaren Gestalt hervorgukt! Er schlägt ihm ab, was gutthätige Leute Bettlern nicht versagen.

3. Fremder. Die Menschlichkeit schauert vor einer solchen Gefühllosigkeit.

1. Fremder. Was mich betrift, so hab' ich in meinem Leben niemals die geringste Gutthat von Timon genossen, die mich vor andern verbände, sein Freund zu seyn; und doch versichre ich, um seines edeln und wohlthätigen Gemüths willen, und aus Hochachtung für seine Tugend, wollt' ich ihm die Helfte meines Vermögens geschenkt haben, wenn er sich in seinem Bedürfniß an mich gewendet hätte, so sehr lieb' ich sein Herz; allein, so wie die Welt geht, muß man sein Mitleiden zurükhalten lernen; denn Klugheit geht über Gewissen.

(Sie gehen ab.)

Dritte Scene. (Ein dritter Bedienter des Timon mit Sempronius.)

Sempronius. Mußt' er denn gerade mich damit beunruhigen? Vor allen andern? Er hätt' es bey Lord Lucius oder Lucullus versuchen können, und nun ist auch Ventidius reich, den er aus dem Gefängniß erledigt hat; alle diese drey haben ihm ihr Vermögen zu danken.

Bedienter. O Gnädiger Herr, sie sind alle auf die Probe gesezt und falsch befunden worden; sie haben ihn alle abgewiesen.

Sempronius. Wie? Abgewiesen? Ventidius und Lucullus, beyde ihn abgewiesen? Und nun schikt er zu mir? Drey! hum--Es zeigt wenig Freundschaft oder Vernunft auf seiner Seite an. Muß ich seine lezte Zuflucht seyn? Seine Freunde, die gleich Aerzten sich auf seine Unkosten bereichert haben, geben ihn au? Muß ich nun die Cur übernehmen? er hat mir eine schlechte Ehre damit angethan; es verdrießt mich, er hätte wol wissen können, wer ich bin; ich kan keinen Grund erdenken, warum er nicht zuerst an mich gekommen ist, wenn er jemands Hülfe nöthig hatte. Auf mein Gewissen, ich war der erste unter allen die iemals Gutes von ihm genossen haben; und denkt er denn so unbillig von mir, daß ich der lezte seyn werde, es wett zu machen? Es wird allen übrigen eine Materie zum Lachen geben, und ich werde der Narr unter dem Atheniensischen Adel seyn. Ich wollte dreymal so viel als er von mir verlangt darum geben, er hätte zu mir zuerst geschikt, wenn es auch nur gewesen wäre, um meiner Gemüthsart Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen; ich wäre so geneigt gewesen ihm Gutes zu thun. Aber so geh' nur wieder heim, und seze zu den abschlägigen Antworten der übrigen, in meinem Namen, noch dieses hinzu: Wer meiner Ehre zu nahe tritt, soll nimmermehr mein Geld zu sehen kriegen.

(Er geht ab.)

Bedienter. Vortreflich! Euer Gnaden ist ein feiner Spizbube. Der Teufel wußte gewiß nicht was er that, wie er die Leute politisch machte; er schadete sich selbst dadurch; und ich kan nichts anders als glauben, am Ende werden sie ihn selbst mit ihren Schelmenstreichen zum Narren machen.--Das waren nun diejenigen, auf die mein Herr seine besten Hoffnungen gesezt hatte; nun sind alle zurükgetreten, und ausser den Göttern bleibt ihm niemand übrig.

William Shakespeare
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