Timon von Athen

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Wer darf sich breiter machen, als einer der kein Haus hat, wo er seinen Kopf hinein steken kan? Solche Leute dürfen sich wol über Paläste aufhalten. (Servilius zu den Vorigen.)

Titus. O, hier ist Servilius; nun werden wir doch eine Antwort kriegen.

Servilius. Wenn ich euch bitten dürfte, meine Herren, zu einer andern Zeit wieder zu kommen, so würdet ihr mir einen Gefallen thun. Denn bey meiner Seele, Milord ist auf eine seltsame Art unmuthig; sein leutseliges Wesen hat ihn ganz verlassen, er ist gar nicht wohl auf, er hütet das Zimmer.

Caphis. Manche hüten das Zimmer, die nicht krank sind; und wenn es so übel mit seiner Gesundheit steht, so däucht mich, sollt' er seine Schulden nur desto eher bezahlen, und sich einen offnen Weg zu den Göttern machen.

Servilius. Ihr gütigen Götter!

Titus. Das können wir für keine Antwort nehmen.

Flaminius (hinter der Bühne.) Servilius, helft--Milord, Milord! * Ein Wortspiel mit (Confidence), welches im Englischen Zutrauen und Unverschämtheit heissen kan.

Fünfte Scene. (Timon lauft in der Wuth heraus.)

Timon. Wie, ist mir nicht mehr erlaubt zu meiner Thür heraus zu gehen? Ich bin immer frey gewesen, und soll nun mein Haus mein Kerker werden? Muß mich die eisenherzige Grausamkeit der Menschen bis in den Plaz verfolgen, wo ich ihnen Bankette gab?

Caphis. Bring dein Gewerb' izt an, Titus.

Titus. Gnädiger Herr, hier ist meine Obligation.

Caphis. Hier ist die meinige.

Varro. Und hier die meinige, Milord.

Philo und die Übrigen. Und hier die unsrige.

Timon. Schlagt mich damit zu Boden--Spaltet mich bis an den Gürtel.

Caphis. Aber, Milord--

Timon. Schneid mein Herz in Stüke.

Titus. Meine ist fünfzig Talente.

Timon. Rechne sie an meinem Blut ab.

Caphis. Fünftausend Cronen, Milord.

Timon. Fünftausend Tropfen zahlen das. Wie viel ist eure--und eure?

Varro. Milord!--

Philo. Milord!--

Timon. Hier nehmt mich, zerreißt mich, und die Götter zerschmettern euch, und die so euch geschikt haben!

(Er geht ab.)

Hortensius. Bey meiner Treue, ich sehe, unsre Herren können ihre Kappen nach ihrem Gelde werfen; diese Schulden können wohl verzweifelt genennt werden, denn der sie bezahlen soll, ist wahnwizig.

(Sie gehen ab.)

(Timon und Flavius kommen zurük.)

Timon. Sie haben mich ganz ausser Athem gebracht, die Sclaven! Gläubiger!-- Teufel!

Flavius. Mein theurer Herr--

Timon. Wie, wenn ich es so machte?

Flavius. Mein theurer Herr--

Timon. So soll es seyn!--Mein Verwalter!

Flavius. Hier, Milord.

Timon. Du bist schnell da--Geh, lade alle meine Freunde ein, Lucius, Lucullus, Sempronius, Alle! Ich will diesen Galgenschwengeln noch einmal zu schmausen geben.

Flavius. Ach, mein gütiger Herr, ihr sprecht in der Zerstreuung euers Gemüths; es ist nicht einmal so viel übrig, als zu einer mässigen Mahlzeit nöthig ist.

Timon. Bekümmre dich nicht um das; geh' und lade sie alle ein, laß die Fluth von Schelmen noch einmal herein; mein Koch und ich wollen schon davor sorgen.

Sechste Scene. (Verwandelt sich in das Rath-Haus.) (Die Senatoren und Alcibiades.)

1. Senator. Milord, ihr habt meine Stimme dazu, das Verbrechen ist blutig, er muß dafür sterben; nichts muntert die Sünden mehr auf als Barmherzigkeit.

2. Senator. Sehr richtig; das Gesez muß sie zerschmettern.

Alcibiades. Heil, Ehre und Mitleiden dem Senat!

1. Senator. Nun, Feldherr--

Alcibiades. Ich komme, Euern Herrlichkeiten eine demüthige Bitte vorzutragen. Mitleiden ist der echte Geist der Geseze, und nur Tyrannen machen einen grausamen Gebrauch davon. Zeit und Unglük verfolgen einen von meinen Freunden, der in der Hize seines Blutes in das Gesez gefallen ist, welches für diejenige, die unvorsichtiger Weise hineinplätschern, eine bodenlose Tieffe zu seyn pflegt. Er ist, dieses Vergehen bey Seite gesezt, ein Mann von Ehre und Tugend, und dieses kauft seinen Fehler los. Auch ist seine That mit keiner Niederträchtigkeit beflekt; sondern mit einer edeln Wuth und einem ruhmwürdigen Stolz sezt' er sich seinem Feind, der seiner Ehre eine tödtliche Wunde beygebracht hatte, entgegen; nachdem er lange genug seinen Zorn zurük gehalten, und sich mit einem so gemässigten Eifer vertheidigt hatte, als ob er nur einen academischen Saz behauptete.

William Shakespeare
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