Timon von Athen

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Verschwöre dich wider jeden Gegenstand, der dein Herz erweichen könnte; leg' eine Rüstung um deine Ohren und deine Augen, deren Stählung weder das Heulen der Mütter, das Geschrey der Jungfrauen, und das Wimmern der Kinder; noch der Anblik von Priestern, deren Blut über ihre heiligen Kleider herab strömt, nur um eine Nadelspize durchdringen möge. Hier ist Gold, deine Soldaten zu bezahlen. Verbreite Verderben um dich her, geh', und wenn du deine Wuth ausgelassen hast, so verdirb selbst! Antworte nicht, geh!

Alcibiades. Hast du noch Gold? Ich nehme das Gold an, das du mir giebst, und lasse dir deinen Rath.

Timon. Du folgest ihm oder nicht, so falle der Fluch des Himmels auf dich!

Timandra, Phrynia. Gieb uns auch etwas Gold, guter Timon; hast du noch mehr?

Timon. Genug, um zu machen daß eine Hure ihr Handwerk verschwöre und eine-- Kupplerin werde. Hebt auf, ihr Schlütten**, die Schürze auf! Ihr seyd nicht eydfähig, ob ich gleich weiß, daß ihr schwören würdet; schwören, daß die unsterblichen Götter die euch hören, vor Entsezen schaudern müßten. Spart eure Schwüre, ich will euerm blossen Versprechen glauben. Bleibt immer Huren, und dem, dessen frommer Zuspruch euch bekehren will, dem macht es dreymal ärger als den übrigen; ködert ihn an, brennt ihn bis auf die Knochen; laßt nicht eher von ihm ab, biß euer Feuer über seinem Rauch Meister wird; doch sollt ihr dafür alle Jahre sechs Monate eine ganz entgegengesezte Mühe haben. Sezt euch falsche Haare an, und dekt eure arme dünne Schädel mit Aufsäzen von Todten (wenn schon einige davon gehangen sind, das hindert nichts); tragt sie, betrügt damit, und h** immer auf ihren Credit hin; schminkt euch, bis ein Pferd in euerm Gesicht steken bleiben möchte; der Henker hole die Runzeln!

Beyde. Gut, gut, nur mehr Gold; glaubt uns, um Gold thun wir was ihr nur wollt.

Timon. Säet Auszehrung in ihre marklosen Knochen, lähmet ihre dünnen Beine, und dämpfet den männlichen Trieb. Brecht die Stimme des Advocaten, daß er untüchtig werde schlimme Sachen zu führen, und Rabulisten- Streiche durch sein Geschrey gut zu machen; stekt den Priester an, der wider die Triebe des Fleisches eifert und sich selbst nicht glaubt; herab mit der Nase, platt ab, nehmt ihm den Nasenknörpel ohne Verschonen, der, seinen Privat-Nuzen ausser Gefahr zu sezen, das gemeine Beste aufopfert. Macht krausköpfichte Spizbuben kahl, und laßt auch die jungen Eisenfresser nicht leer ausgehen, die mit ihren grossen Thaten pralen, und nur nicht eine Narbe davon aufzuweisen haben. Verpestet alle Welt, und ruhet nicht, bis ihr die Quelle der Vermehrung selbst gänzlich verstopft und ausgetroknet habt.--Hier ist mehr Gold für euch, bringt alle andre ins Verderben, dann verfaulet selbst und Misthauffen mögen euer aller Grab seyn.

Beyde. Mehr Rath und mehr Geld, guter Timon.

Timon. Ihr müßtet es erst besser verdienen; ihr habt nun euer Handgeld.

Alcibiades. Rührt die Trummel, und gegen Athen zu. Lebe wohl, Timon, wenn es mir gelungen seyn wird, will ich dich wieder besuchen.

Timon. Wenn mich die Hoffnung nicht betrügt, werd ich dich nicht mehr sehen.

Alcibiades. Ich that dir nie was zu leide.

Timon. Ja, du redtest Gutes von mir.

Alcibiades. Nennst du das beleidigen?

Timon. Die Menschen erfahren es alle Tage. Geh deines Weges, pake dich, und nimm deine Dachshunde mit.

Alcibiades. Wir sind ihm nur beschwerlich; rührt die Trummel!

(Alcibiades, Timandra und Phrynia gehen ab.)

Fünfte Scene.

Timon. Daß die Natur noch zu eben der Zeit hungern soll, da der Unmuth über des Menschen Unbarmherzigkeit sie des Lebens überdrüßig macht!-- Allgemeine Mutter, du deren unermeßliche Schoos und unbegrenzte Brust alles gebiehrt und säuget; o du, deren nemliche Zeugungs-Hize, woraus der stolze Mensch aufdunset, die schwarze Kröte zeugt, und die blaue Schlange, die goldflekichte Eidechs und den blinden vergifteten Wurm mit allem andern verabscheuten Ungeziefer, das Hyperions Feuer belebt: Gieb dem der alle deine menschlichen Söhne hasset, gieb ihm aus deinem unerschöpflichen Busen eine einzige arme Wurzel.

William Shakespeare
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