Timon von Athen

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Aber daß ich, für dessen Vergnügen die ganze Welt arbeitete, der die Zungen, die Augen, die Herzen der Menschen zu seinem Gebot hatte, mehr als ich ihnen Verrichtungen erdenken konnte, an dem unzähliche hiengen, wie die Blätter an einer Eiche; die aber alle, von einem einzigen Winter-Anstoß, von ihren Zweigen abgefallen sind, und mich entblößt und unbedekt jedem Sturm ausgesezt gelassen haben: Daß ich, der nie etwas anders als bessers gekannt hat, diß ertragen soll, ist etwas schwer. Dein Wesen fieng mit Elend an, und die Zeit hat dich dazu abgehärtet. Warum solltest du die Menschen hassen? Sie haben dir nie geschmeichelt. Was hast du ihnen geben können? Wenn du fluchen willt, so muß dein Vater, der arme Lumpenhund, der Gegenstand seyn, der, in einem Anstoß von Brunst, irgend eine Bettlerin überfallen, und dich armseligen Erb- Lumpenhund zusammgeflikt hat--Hinweg, pake dich!--Wärest du nicht zum untersten unter allen Menschen gebohren, so würdest du ein Spizbube und Schmeichler gewesen seyn.

Apemanthus. Bist du noch stolz?

Timon. Ja, daß ich nicht du bin.

Apemanthus. Und ich, daß ich kein Verschwender gewesen bin.

Timon. Und ich, daß ich izt noch einer bin. Wär' aller Reichthum, den ich hatte, in dir aufgeschüttet, so wollt' ich dir Erlaubniß geben, ihn aufzuhängen. Geh deines Weges--O! daß das Leben von ganz Athen in dieser Wurzel wäre! So wollt' ich es essen.

(Er ißt eine Wurzel.)

Apemanthus. Hier, ich will deine Mahlzeit verbessern.

Timon. Verbeßre erst meine Gesellschaft, und pake dich fort!

Apemanthus. Was hättest du gern zu Athen--

Timon. Dich, in einem Wirbelwind; wenn du willt, so sag ihnen, ich habe Gold; siehst du, daß ich habe.

Apemanthus. Hier hat es keinen Nuzen.

Timon. Den besten und sichersten; denn hier schläft es, und thut keinen gedungnen Schaden.

Apemanthus. Wo ligst du des Nachts, Timon?

Timon. Unter dem was über mir ist. Wo futterst du des Tags, Apemanthus?

Apemanthus. Wo mein Magen Speise findet, oder vielmehr wo ich sie esse.

Timon. Ich wollte, das Gift müßte mir gehorchen, und wüßte meine Gedanken.

Apemanthus. Wo wolltest du es hinschiken?

Timon. Deine Schüsseln zu würzen.

Apemanthus. Das Mittel der Menschlichkeit hast du nie gekannt, sondern nur das äusserste von beyden Enden. Wie du in deinen vergoldeten Zimmern, und von ausgesuchten Specereyen umduftet warst, da trieben sie ihr Gespötte über deine ausschweiffende Zärtlichkeit des Geschmaks; izt da du in Lumpen bist, hast du gar keine, sondern wirst des Gegentheils halben verabscheut. Hier ist eine Mespel für dich, iß sie.

Timon. Ich esse von nichts, was ich nicht leiden kan.

Apemanthus. Kanst du die Mespeln nicht leiden?

Timon. Nein, ob sie schon dir gleich sehen.

Apemanthus. Hättest du sie früher nicht leiden können, so würdest du izt besser mit dir selbst zufrieden seyn. Hast du jemals einen Verschwender gekannt, den man noch geliebt hat, nachdem er um seine Mittel gekommen ist?

Timon. Wen hast du jemals ohne diese Mittel, wovon du redst, beliebt gesehen?

Apemanthus. Mich selbst.

Timon. Ich verstehe dich, du hast einige Mittel, einen Hund zu halten.

Apemanthus. Was für Dinge in der Welt findst du deinen Schmeichlern am ähnlichsten?

Timon. Weiber--Was wolltest du mit der Welt thun, Apemanthus, wenn sie in deiner Gewalt wäre?

Apemanthus. Sie den wilden Thieren vorwerfen, damit ich der Menschen los würde.

Timon. Wolltest du selbst auch das Schiksal der Menschen haben, oder unter den wilden Thieren ein wildes Thier werden?

Apemanthus. Das lezte, Timon.

Timon. Ein bestialischer Wunsch, den die Götter dir gewähren mögen! Wenn du ein Löwe wärst, so würde dich der Fuchs betrügen; wärst du ein Lamm, so würde der Fuchs dich fressen; wärst du der Fuchs, so würdest du dem Löwen verdächtig werden, wenn dich zufallsweis ein Esel anklagte; wärst du der Esel, so würde dich deine Dummheit plagen, und du lebtest immer als ein Frühstük für den Wolf. Wärst du der Wolf, so würde dir deine Gefressigkeit zur Quaal werden, und du würdest oft dein Leben für dein Mittagessen wagen.

William Shakespeare
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