Timon von Athen

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Man sagt, er gab seinem Verwalter eine starke Summe.

Poet. So war folglich diese Bankrutt nur eine Prüfung seiner Freunde.

Mahler. Nichts anders; ihr werdet ihn bald in Athen unter den Ersten wieder glänzen sehen. Es wird also nicht übel gethan seyn, wenn wir ihm in dem Unglüks-Stand', worinn man ihn versunken glaubt, unsre Freundschaft bezeugen; es wird uns das Ansehen eines edelmüthigen Betragens geben; und es ist sehr wahrscheinlich, daß es uns zu unserm Zwek führen wird, wenn es wahr ist, daß er so reich seyn soll.

Poet. Was habt ihr bey euch, womit ihr ihm aufwarten wollet?

Mahler. Nichts für dißmal als meinen Besuch; allein ich will ihm ein vortrefliches Stük versprechen.

Poet. Ich will ihn auf die nemliche Art bedienen.

Mahler. So ist's am besten. Versprechen öffnet das Auge der Erwartung, und macht sich oft für etwas, das niemals gehalten wird, zum voraus bezahlt. Halten ist allemal der Narr in seinem eignen Spiel; sobald ein Versprechen gehalten ist, so nüzt es, ausser bey der einfältigern Art von Leuten, dem Geber nichts mehr. Versprechen ist hofmännisch, und ein Stük von der feinen Lebensart; Halten ist eine Art von leztem Willen oder Testament, welches bey dem, der es macht, eine grosse Krankheit--am Verstand anzeigt. (Timon kommt, ohne daß ihn die vorigen Personen gewahr werden, aus der Höle hervor.)

Timon (vor sich.) Vortreflicher Künstler! du kanst keinen so schlechten Kerl mahlen als du selbst bist.

Poet. Ich besann' mich, was ich sagen will, das ich für ihn in der Arbeit habe--Es muß eine Vorstellung von ihm selbst seyn; eine Satyre über die Weichlichkeit, die eine Folge des Wohlstands zu seyn pflegt; mit einer Entdekung der unendlichen Schmeicheleyen, die das Gefolge von Jugend und Reichthum sind.

Timon. Must du dich dann in deinem eignen Werk als einen Nichtswürdigen abschildern? Willt du deine eigne Laster auf andrer Leute Rüken peitschen? Thue es, ich habe Gold für dich.

Poet. Wir wollen ihn aufsuchen.

Wer einen Vortheil einzuholen Zu spät kommt, hat sich selbst bestohlen.

Mahler. Ihr habt recht.

Poet. Such', was dir fehlt, bey Tag, der unbezahlt dir scheint; Die Nacht im schwarzen Flor ist niemands Freund.

Kommt!

Timon. Ich will euch beym Umkehren entgegen kommen--Was für ein Gott ist Gold, daß er in Tempeln verehrt wird, die verächtlicher sind als die Oerter, wo Schweine ihre Speise suchen. Du bist es der das Schiff ausrehdet, und die beschäumten Wellen pflügt; du verschaffst dem Sclaven Bewundrung und Ehrfurcht; niemals möge dein Dienst abnehmen, und verderbliche Plagen sollen deine Anbeter umkränzen!-- Izt ist es Zeit, ihnen entgegen zu kommen.

Poet. Heil dir, würdiger Timon.

Mahler. Einst unser edler Gebieter.

Timon. Wie, erleb' ich es, noch zween ehrliche Männer zu sehen?

Poet. Mein Herr, da wir so viel Gutes von euch genossen haben, und vernehmen mußten, daß ihr euch entfernt, und daß alle eure Freunde abgefallen, für deren undankbare Gemüther--(oh, verabscheuungswürdige Seelen!) alle Ruthen des Himmels nicht hinreichend sind--Was? von euch? dessen Stern-gleiche Großmuth Leben und Einflüsse ihrem ganzen Wesen gab? Ich komme ganz ausser mich, und kan keine Worte groß genug finden, die ungeheure Grösse dieser Undankbarkeit darein zu kleiden.

Timon. Laßt sie nakend gehen, so sehen die Leute sie desto besser; ihr, die ihr ehrliche Männer seyd, macht durch das, was ihr seyd, das was sie sind am besten sichtbar.

Mahler. Er und ich haben in dem grossen Regen eurer Freygebigkeit gereißt, und ihn auf eine angenehme Art empfunden.

Timon. Ja, ihr seyd ehrliche Männer.

Mahler. Wir sind hieher gekommen, euch unsre Dienste anzubieten.

Timon. Sehr ehrliche Männer! Wie kan ich's euch wett machen? Könnt ihr Wurzeln essen, und kaltes Wasser trinken? Nein.

Beyde. Wir wollen thun, was wir nur immer können, um euch Dienste zu leisten.

Timon. Ihr seyd ehrliche Männer; ihr habt gehört, daß ich Gold habe; ich bin versichert, ihr habt's gehört; sagt die Wahrheit, ihr seyd ehrliche Männer.

William Shakespeare
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