Was ihr wollt

Page 06

Ich bitte euch, behaltet es zurük. Ich hörte, ihr machtet euch sehr unnüze vor meiner Thüre, und ich erlaubte euch den Zutritt mehr aus Fürwiz euch zu sehen, als euch anzuhören. Wenn ihr nicht toll seyd, so geht; wenn ihr Verstand habt, so macht's kurz; es ist gerade nicht die Monds-Zeit bey mir, da ich Lust habe in einem so hüpfenden Dialog' eine Person zu machen.

Maria. Wollt ihr eure Segel aufziehen, junger Herr, hier ligt euer Weg.

Viola. Nein, ehrlicher Schiffs-Junge, ich werde hier noch ein wenig Flott machen.

Olivia. Was habt ihr dann anzubringen?

Viola. Ich bin ein Deputierter.

Olivia. Wahrhaftig, ihr müßt etwas sehr gräßliches zu sagen haben, da eure Vorrede so fürchterlich ist. Redet was ihr zu reden habt.

Viola. Es bezieht sich allein auf euer eignes Ohr. Ich bringe keine Kriegs- Erklärung; ich trage den Ölzweig in meiner Hand, und meine Worte sind eben so friedsam als gewichtig.

Olivia. Und doch fienget ihr unfreundlich genug an. Wer seyd ihr? Was wollt ihr?

Viola. Wenn ich unfreundlich geschienen habe, so ist es der Art wie ich empfangen wurde, zuzuschreiben. Was ich bin und was ich will, das sind Dinge, die so geheim sind wie eine Jungferschaft; für euer Ohr, Theologie; für jedes andre, Profanationen.

Olivia. Laßt uns allein.

(Maria geht ab.)

Wir wollen diese Theologie hören. Nun, mein Herr, was ist euer Text?

Viola. Allerliebstes Fräulein--

Olivia. Eine trostreiche Materie, und worüber sich viel sagen läßt. Wo steht euer Text?

Viola. In Orsino's Busen.

Olivia. In seinem Busen? In was für einem Capitel seines Busens?

Viola. Um in der nemlichen Methode zu antworten, im ersten Capitel seines Herzens.

Olivia. O, das hab' ich gelesen; es ist Kezerey. Ist das alles was ihr zu sagen habt?

Viola. Liebe Madam, laßt mich euer Gesicht sehen.

Olivia. Habt ihr Commission von euerm Herrn, mit meinem Gesicht Unterhandlungen zu pflegen? Ihr geht izt zwar über euern Text hinaus; aber wir wollen doch den Vorhang wegziehen, und euch das Gemählde zeigen. Seht ihr, mein Herr; so eines trag' ich dermahlen; ist's nicht wohl gemacht?

(Sie enthüllt ihr Gesicht.)

Viola. Vortrefflich, wenn Gott alles gemacht hat.

Olivia. Davor steh ich euch; es ist von der guten Farbe; es hält Wind und Wetter aus.

Viola. O, gewiß kan nur die schlaue und anmuthreiche Hand der Natur weiß und roth auf eine so reizende Art auftragen, und in einander mischen--Gnädiges Fräulein, ihr seyd die grausamste Sie in der ganzen Welt, wenn ihr solche Reizungen ins Grab tragen wollt, ohne der Welt eine Copey davon zu lassen.

Olivia. O, mein Herr, so hartherzig will ich nicht seyn; ich will verschiedene Vermächtnisse von meiner Schönheit machen. Es soll ein genaues Inventarium davon gezogen, und jedes besondre Stük meinem Testament angehängt werden. Als, item, zwo erträglich rothe Lippen. Item, zwey blaue Augen, mit Augliedern dazu. Item, ein Hals, ein Kinn, und so weiter. Seyd ihr hieher geschikt worden, mir eine Lobrede zu halten?

Viola. Ich sehe nun, was ihr seyd; ihr seyd zu spröde; aber wenn ihr der Teufel selbst wäret, so muß ich gestehen, daß ihr schön seyd. Mein Gebieter und Herr liebt euch: O! eine Liebe, wie die seinige, könnte mit der eurigen, mehr nicht als nur belohnt werden, und wenn ihr zur Schönsten unter allen Schönen des Erdbodens gekrönt worden wäret.

Olivia. Wie liebt er mich dann?

Viola. Mit einer Liebe, die bis zur Abgötterey geht, mit immer fliessenden Thränen, mit liebe-donnerndem Ächzen und Seufzern von Feuer.

Olivia. Euer Herr weiß meine Gesinnung schon, er weiß daß ich ihn nicht lieben kan. Ich zweifle nicht daß er tugendhaft, und ich weiß daß er edel, von grossem Vermögen, von frischer und unverderbter Jugend ist; er hat den allgemeinen Beyfall vor sich, und ist reizend von Gestalt; aber ich kan ihn nicht lieben; ich hab es ihm schon gesagt, und er hätte sich meine Antwort auf diesen neuen Antrag selbst geben können.

Viola. Wenn ich euch liebte wie mein Herr, mit einer so quälenden, so verzehrenden Liebe, so würd' ich mich durch eine solche Antwort nicht abweisen lassen; ich würde gar keinen Sinn in ihr finden.

William Shakespeare
Classic Literature Library

All Pages of This Book