Rosalinde. Sie phöbet mich; hör an, wie die Tyrannin schreibt:

(Liest.)

"Bist du Gott im Hirtenstand, Der ein Mädchenherz entbrannt?" Kann ein Weib so höhnen?

Silvius. Nennt Ihr das höhnen?

Rosalinde. "Des verborgne Götterschaft Qual in Weiberherzen schafft?" Hörtet Ihr je solches Höhnen? "Männer mochten um mich werben, Nimmer bracht es mir Verderben." --Als wenn ich ein Tier wäre. "Wenn deiner lichten Augen Hohn Erregte solche Liebe schon, Ach, wie müßt' ihr milder Schein Wunderwirkend in mir sein! Da du schaltest, liebt ich dich; Bätest du, was täte ich? Der mein Lieben bringt zu dir, Kennt dies Lieben nicht in mir. Gib ihm denn versiegelt hin, Ob dein jugendlicher Sinn Nimmt das treue Opfer an Von mir und allem, was ich kann. Sonst schlag durch ihn mein Bitten ab, Und dann begehr ich nur ein Grab."

Silvius. Nennt Ihr das schelten?

Celia. Ach, armer Schäfer!

Rosalinde. Habt Ihr Mitleid mit ihm? Nein, er verdient kein Mitleid.--Willst du solch ein Weib lieben?--Was? dich zum Instrument zu machen, worauf man falsche Töne spielt? Nicht auszustehn!--Gut, geht Eures Weges zu ihr (denn ich sehe, die Liebe hat einen zahmen Wurm aus dir gemacht), und sagt ihr dies: Wenn sie mich liebt, befehle ich ihr an, dich zu lieben; wenn sie nicht will, so habe ich nichts mit ihr zu tun, es sei denn, daß du für sie bittest.--Wenn Ihr wahrhaft liebt, fort, und keine Silbe mehr, denn hier kommt jemand.

(Silvius ab.)

(Oliver tritt auf.)

Oliver. Guten Morgen, schöne Kinder! Wißt ihr nicht, Wo hier im Wald herum 'ne Schäferei, Beschattet von Olivenbäumen, steht?

Celia. Westwärts von hier, den nahen Grund hinunter, Bringt Euch die Reih von Weiden längs dem Bach, Laßt Ihr sie rechter Hand, zum Orte hin. Allein um diese Stunde hütet sich Die Wohnung selber; es ist niemand drin.

Oliver. Wenn eine Zung ein Auge kann belehren, Müßt ich euch kennen der Beschreibung nach: Die Tracht, die Jahre so. "Der Knab ist blond, Von Ansehn weiblich, und er nimmt sich aus Wie eine reife Schwester; doch das Mädchen Ist klein und brauner als ihr Bruder." Seid ihr Des Hauses Eigner nicht, das ich erfragt?

Celia. Weil Ihr uns fragt: ja, ohne Prahlerei.

Oliver. Orlando grüßt Euch beide, und er schickt Dem Jüngling, den er seine Rosalinde Zu nennen pflegt, dies blutge Tuch. Seid Ihr's?

Rosalinde. Ich bin's. Was will er uns damit bedeuten?

Oliver. Zu meiner Schand etwas, erfahrt Ihr erst, Was für ein Mensch ich bin, und wo und wie Dies Tuch befleckt ward.

Celia. Sagt, ich bitt Euch drum.

Oliver. Da jüngst Orlando sich von Euch getrennt, Gab er sein Wort, in einer Stunde wieder Zurück zu sein; und schreitend durch den Wald Käut' er die Kost der süß und bittern Liebe.-- Seht, was geschah! Er warf sein Auge seitwärts Und denkt, was für ein Gegenstand sich zeigt: Am alten Eichbaum mit bemoosten Zweigen, Den hohen Gipfel kahl von dürrem Alter, Lag ein zerlumpter Mann, ganz überhaart, Auf seinem Rücken schlafend; um den Hals Wand eine grün und goldne Schlange sich, Die mit dem Kopf, zu Drohungen behend, Dem offnen Munde nahte; aber schnell, Orlando sehend, wickelt sie sich los Und schlüpft im Zickzack gleitend in den Busch. In dessen Schatten hatte eine Löwin, Die Euter ausgezogen, sich gelagert, Den Kopf am Boden, katzenartig lauernd, Bis sich der Schläfer rührte; denn es ist Die königliche Weise dieses Tiers, Auf nichts zu fallen, was als tot erscheint. Dies sehend, naht' Orlando sich dem Mann Und fand, sein Bruder war's, sein ältster Bruder.

Celia. Oh, von dem Bruder hört ich wohl ihn sprechen, Und als den unnatürlichsten, der lebte, Stellt' er ihn vor.

Oliver. Und konnt es auch mit Recht; Denn gar wohl weiß ich, er war unnatürlich.

Rosalinde. Orlando aber?--Ließ er ihn zum Raub Der hungrigen und ausgesognen Löwin?

Oliver. Zweimal wandt er den Rücken und gedacht es; Doch Milde, edler als die Rache stets, Und die Natur, der Lockung überlegen, Vermochten ihn, die Löwin zu bekämpfen, Die baldigst vor ihm fiel.

William Shakespeare
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