Man muß sich daher nach seiner Gemüthsart richten lernen. Tadelt ihn wegen seiner Fehler, jedoch mit Ehrerbietung, wenn ihr sehet daß er bey guter Laune ist; aber wenn er aufgebracht ist, so gebt ihm Plaz, bis seine Leidenschaft, wie ein zu Grund sinkender Wallfisch, durch ihre eigne heftige Bewegungen sich entkräftet hat. Lerne diß, Thomas, und du wirst ein Schirm deiner Brüder seyn, ein goldner Reiff, der sie zusammenbinden wird, damit das vereinigte Gefäß ihres Bluts, wenn es, wie vielleicht begegnen kan, durch den Gift heimlicher Aufstiftungen in Gährung gesezt wird, nicht lek werde, und sollt' es gleich stärker würken als Aconitum oder rasches Schieß-Pulver.

Clarence. Ich werde mir angelegen seyn lassen, seine Liebe zu verdienen.

König Heinrich. Warum bist du nicht zu Windsor bey ihm, Thomas?

Clarence. Er ist nicht zu Windsor; er speißt in London zu Mittag.

König Heinrich. Und wer ist bey ihm? Kanst du mir's sagen?

Clarence. Poins, und seine andern gewöhnlichen Begleiter.

König Heinrich. Der fetteste Boden trägt das meiste Unkraut, und er das edle Bild meiner Jugend, ist ganz damit überwachsen; Ursache zu einem Kummer, der sich über mein Leben hinaus erstrekt. Das Blut weint aus meinem Herzen, wenn ich mir die regellosen Tage, die verderbten Zeiten vorstelle, die ihr sehen werdet, wenn ich einst bey meinen Voreltern schlafe: Denn wenn seine wilde Schwelgerey keinen Zügel mehr hat, wenn Wuth und schäumendes Blut seine Räthe sind, wenn Macht und schlimme Sitten sich vereinbaren; oh, mit was für stürmenden Schwingen wird er seinem Fall und Verderben entgegen stürzen.

Warwik. Mein Gnädigster Herr, ihr mißkennt ihn in diesem Augenblik. Der Prinz studiert nur seine Gesellschafter, wie eine fremde Sprache; will man die Sprache besizen, so ist nöthig daß man auch das unanständigste Wort ansehe und lerne; wenn man's aber einmal versteht, so weiß Eu. Majestät, daß es zu keinem andern Gebrauch kommt, als daß man es kennt und verabscheut. So wird es der Prinz, zu seiner Zeit, mit seinen Gesellschaftern halten, und die Kenntniß die er von ihnen hat, wird eine Art von Modell oder Maasstab seyn, woran er den Werth beßrer Leute messen wird.

König Heinrich. Selten macht die Biene ihren Waben in ein Todten-Aaß.--Wer kommt hier? Westmorland?

Neunte Scene. (Westmorland tritt auf.)

Westmorland. Heil, Gnädigster Herr, und neues Glük, zu demjenigen, so ich anzukündigen komme! Prinz John, euer Sohn küßt eure königliche Hand; Mowbray, der Bischoff Scroop, Hastings und die übrigen haben die Straffe eurer Geseze erfahren, kein einziges aufrührisches Schwerdt ist mehr entblößt, und der Friede treibt seine Oliven allenthalben hervor. Die Art und Weise und den ganzen Zusammenhang der Umstände, wie alles dieses geschehen ist, geruhe Euer Majestät mit beßrer Musse aus dieser Relation zu ersehen.

(Er übergiebt ein Papier.)

König Heinrich. O Westmorland, du bist ein Sommer-Vogel, der mitten im Winter den aufgehenden Tag ansingt. (Harcourt zu den Vorigen.) Seht, noch mehr Neuigkeiten.

Harcourt. Der Himmel bewahre Eure Majestät vor Feinden, und stehen Feinde gegen euch auf, so mögen sie fallen wie diejenige, von denen ich komme, euch Nachricht zu geben. Der Graf von Northumberland, und der Lord Bardolph, mit einer ansehnlichen Macht von Engländern und Schotten, sind von dem Scheriff von Yorkschire aufs Haupt geschlagen worden. Die nähere Umstände und Folgen dieser Action enthält dieses Paquet.

König Heinrich. Und warum müssen diese guten Zeitungen mich kränker machen? Kan das Glük keine unvermengte Gunst gewähren, und muß, wenn sie uns nichts als Gutes zu sagen hat, der angenehme Inhalt wenigstens in häßlichen Lettern geschrieben seyn? Entweder giebt sie einen guten Magen und nichts zu essen; oder sie stellt uns ein Banquet auf, und nimmt den Appetit hinweg. Ich sollte mich über diese gute Zeitungen erfreuen, und nun vergeht mir mein Gesicht, und mein Kopf wird mir ganz taumlicht. O! o! kommt näher--mir wird ganz übel--

Glocester. Der Himmel stärke Eu.

William Shakespeare
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