So viel von ihm--Nunmehr zu uns selbst, und dem besondern Zwek der gegenwärtigen Versammlung!-- Wir haben hier an den alten Prinzen von Norwegen, den Oheim des jungen Fortinbras (welcher, unvermögend und bettlägerig wie er ist, nichts von diesem Vorhaben seines Neffen weiß) zu dem Ende geschrieben, damit er dessen weitern Fortgang hintertreiben möge: Es sind alle Umstände, die Anzahl seiner angeworbnen Truppen, die Namen der angesehensten Theilnehmer seines Vorhabens, und seine ganze Stärke hierinn enthalten: Und nunmehr ernennen wir euch, Voltimand, und euch, wakrer Cornelius, dem alten Norwegen diesen unsern Gruß zu überbringen. Die persönliche Vollmacht die wir euch ertheilen, mit diesem Prinzen zu handeln, erstrekt sich nicht weiter, als die besondern Artikel dieser schriftlichen Instruction euch anweisen werden. Gehabt euch also wol, und beweiset uns eure Treue durch eine schleunige Ausrichtung.
Voltimand. Hierinn, so wie bey allen andern Gelegenheiten, werden wir unsre Schuldigkeit thun.
König. Wir zweifeln nicht daran; gehabt euch wol.
(Voltimand und Cornelius gehen ab.)
Und nun, Laertes, was bringt ihr uns neues? Ihr sagtet uns was von einer Bitte. Was ist es, Laertes? Ihr könnet nichts billiges von euerm Könige begehren, das euch versagt werden sollte. Was kanst du verlangen, Laertes, das ich dir nicht schon bewilligen sollte, eh du es begehrt hast? Das Haupt ist dem Herzen nicht unentbehrlicher, noch dem Mund der Dienst der Hand, als es dein Vater dem Throne von Dännemark ist. Was willst du haben, Laertes?
Laertes. Mein gebietender Herr, eure gnädige Bewilligung nach Frankreich zurükkehren zu dürfen, von wannen ich zwar aus eigner Bewegung nach Dännemark gekommen bin, um bey Eurer Krönung meine Schuldigkeit zu beweisen; nun aber, ich gesteh es, da diese Pflicht erstattet ist, drehen sich alle meine Gedanken und Wünsche wieder nach Frankreich um, und beugen sich, um Eurer Majestät Gnädigste Erlaubniß und Vergebung zu erhalten.
König. Habt ihr euers Vaters Einwilligung? Was sagt Polonius dazu?
Polonius. Gnädigster Herr, er hat mir durch unablässiges Bitten meine Erlaubniß abgedrungen; und, weil ich nicht anders konnte, so drükte ich seinem Willen endlich das Siegel meiner Einwilligung auf. Ich bitte euch, ihm auch die eurige zu ertheilen.
König. Reise in einer glüklichen Stunde ab, Laertes, und bestimme die Zeit deiner Abwesenheit nach deinem Willen, und der Erforderniß deiner lobenswürdigen Absichten--Und nun ein Wort mit euch, Vetter Hamlet-- Mein geliebter Sohn--
Hamlet (vor sich.) Lieber nicht so nah befreundt, und weniger geliebt.
König. Woher kommt es, daß immer solche Wolken über euch hangen?
Hamlet. Es ist nicht das, Gnädigster Herr; ich bin zuviel in der Sonne.
Königin. Lieber Hamlet, leg einmal diese nächtliche Farbe ab, und sieh aus, wie ein Freund von Dännemark. Geh nicht immer so mit gesenkten halbgeschlossnen Augen, als ob du deinen edeln Vater im Staube suchest. Du weissest ja, es ist das allgemeine Schiksal; alle, welche leben, müssen sterben--
Hamlet. Ja, Madame, es ist das allgemeine Schiksal.
Königin. Wenn es denn so ist, warum scheint es dir denn so ausserordentlich?
Hamlet. Scheint, Madame? Nein, es ist; bey mir scheint nichts. Es ist nicht bloß dieser schwarze Rok, meine liebe Mutter, nicht das Gepränge einer Gewohnheits-mässigen Trauer, noch das windichte Zischen erkünstelter Seufzer, nicht das immer-thränende Auge, noch das niedergeschlagene Gesicht, noch irgend ein anders äusserliches Zeichen der Traurigkeit, was den wahren Zustand meines Herzens sichtbar macht. Diese Dinge scheinen, in der That; denn es sind Handlungen, die man durch Kunst nachmachen kan; aber was ich innerlich fühle, ist über allen Ausdruk; jenes sind nur die Kleider und Verzierungen des Schmerzens.
König. Es ist ein rühmlicher Beweis eurer guten Gemüths-Art, Hamlet, daß ihr euern abgelebten Vater so beweinet: Aber ihr müsset nicht vergessen, daß euer Vater auch einen Vater verlohr, und dieser Vater den seinigen; den überlebenden verband die kindliche Pflicht, mit Ziel und Maaß um seinen verstorbnen zu trauern: Aber in hartnäkiger Betrübniß immerfort zu beharren, ist unmännliche Schwachheit oder gottlose Unzufriedenheit mit den Fügungen des Himmels; ein Zeichen eines ungeduldigen, feigen Gemüths, oder eines schwachen und ungebildeten Verstandes.