Polonius. Ist jemals eine Zeit gewesen, das möcht' ich doch gerne wissen, wo ich positive gesagt habe, es ist so, und es hat sich anders befunden?

König. Meines Wissens nicht.

Polonius. Wenn es anders ist, will ich meinen Kopf verlohren haben. Wenn ich nur einige Umstände weiß, so will ich allemal finden, wo die Wahrheit verstekt liegt, und wenn sie im Mittelpunkt der Erde stekte.

König. Aber wie könnten wir der Sache gewisser werden?

Polonius. Ihr wißt, daß er manchmal vier Stunden hinter einander hier in der Galerie auf- und abgeht.

Königin. Es ist so.

Polonius. Um eine solche Zeit will ich meine Tochter zu ihm lassen: Ihr und ich wollen uns hinter eine Tapete versteken, und da wollen wir beobachten, was vorgehen wird: Liebt er sie nicht, und hat seine Vernunft nicht darüber verlohren, so will ich meine Minister-Stelle aufgeben, ein Bauer werden und Mist auf meine Felder führen.

König. Wir wollen die Sache näher erkundigen.

Fünfte Scene. (Hamlet, in einem Buche lesend, tritt auf.)

Königin. Seht, da kommt der arme Tropf daher, in einem Buch lesend--wie schwermüthig er aussieht!

Polonius. Ich bitte euch, entfernt euch beyde. Ich will ihn anreden.

(Der König und die Königin gehen ab.)

O, mit Erlaubniß--Wie befindet sich mein Gnädigster Prinz Hamlet? --

Hamlet. Wohl, Gott sey Dank.

Polonius. Kennt ihr mich, Gnädiger Herr?

Hamlet. Sehr wol; ihr seyd ein Fisch-Händler.

Polonius. Das bin ich nicht, Gnädiger Herr.

Hamlet. So wollt' ich, ihr wäret so ein ehrlicher Mann.

Polonius. Ehrlich, Gnädiger Herr?

Hamlet. Ja, Herr; ehrlich seyn, das ist, so wie die heutige Welt geht, so viel als aus Zehntausenden ausgeschlossen seyn.

Polonius. Das ist wol wahr, Gnädiger Herr.

Hamlet. Denn wenn die Sonne Maden in einem todten Hunde zeugt, die doch ein Gott ist, aber sobald sie ein Aaß küßt--Habt ihr eine Tochter?

Polonius. Ja, Gnädiger Herr.

Hamlet. Laßt sie nicht in der Sonne gehen; Empfängniß ist ein Segen, aber wie eure Tochter empfangen könnte, ist keiner; gebt Acht auf das.

Polonius. Was wollt ihr damit sagen?--

(vor sich.)

Immer die gleiche Leyer, von meiner Tochter; und doch kannte er mich anfangs nicht; er hielt mich für einen Fisch-Händler. Es ist weit mit ihm gekommen; aber ich erinnre mich wol, daß ich in meiner Jugend erschreklich viel von der Liebe ausgestanden habe, es war diesem ziemlich nahe--Ich will ihn noch einmal anreden. Was leset ihr, Gnädiger Herr?

Hamlet. Worte, Worte, Worte.

Polonius. Wovon ist die Rede, Gnädiger Herr?

Hamlet. Zwischen wem?

Polonius. Ich meyne, was der Inhalt dessen, was ihr leset, sey?

Hamlet. Calumnien, Herr; denn der satirische Bube da sagt, alte Männer hätten graue Bärte, und runzlichte Gesichter, ihr Augen trieften Amber und Pflaumen-Baum-Harz, und sie hätten vollen Mangel an Verstand mit sehr schwachen Schinken. Welches alles, mein Herr, ich zwar mächtiglich und festiglich glaube; aber doch halt' ich es für Unhöflichkeit, daß es so niedergeschrieben worden; denn ihr selbst, Herr, würdet so alt als ich seyn, wenn ihr wie ein Krebs rükwärts gehen könntet.

Polonius (vor sich.) Wenn das Tollheit ist, wie es dann ist, so ist doch Methode drinn-- Wollt ihr nicht ein wenig aus der freyen Luft gehen, Gnädiger Herr?

Hamlet. In mein Grab.

Polonius. In der That, das wäre aus der freyen Luft--

(vor sich.)

wie nachdrüklich manchmal seine Antworten sind! Das ist ein Vortheil der unsinnigen Leute, daß sie zuweilen Einfälle haben, die einem der bey seinen Sinnen ist, nicht so schnell und leicht von statten giengen--Ich will ihn verlassen, und sogleich Anstalt zu einer Zusammenkunft zwischen ihm und meiner Tochter machen--

(laut)

Gnädigster Herr, ich nehme meinen unterthänigen Abschied von euch.

Hamlet. Mein Leben ausgenommen, könnt ihr mir in der Welt nichts nehmen, dessen ich so leicht entrathen kan.

Polonius. Lebet wohl, Gnädiger Herr.

Hamlet (vor sich.) Die verdrießlichen alten Narren!

Sechste Scene. (Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)

Polonius. Ihr sucht vermuthlich den Prinzen Hamlet; hier ist er.

William Shakespeare
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