(Er geht ab.)
(Der König steht auf, und tritt vorwärts.)
König. Meine Worte fliegen auf, meine Gedanken bleiben zurük; und Worte ohne Gedanken langen nie im Himmel an.
(Er geht ab.)
Zehnte Scene. (Verwandelt sich in das Cabinet der Königin.) (Die Königin und Polonius treten auf.)
Polonius. Er wird sogleich da seyn; seht, daß ihr rund mit ihm zu Werke geht; sagt ihm, die Streiche die er gespielt habe seyen zu grob, zum Ausstehen; der König sey sehr ungehalten darüber, und wenn ihr nicht seine Fürsprecherin gewesen wäret, so hätte es Folgen haben können--Ich will mich hier verbergen; ich bitte euch, sagt ihm die Meynung fein scharf.
Hamlet (hinter der Scene.) Mutter! Mutter!--
Königin. Seyd deßwegen ohne Sorge; verlaßt euch auf mich--Entfernt euch, ich hör' ihn kommen.
(Polonius verbirgt sich hinter die Tapeten.)
(Hamlet tritt auf.)
Hamlet. Nun, Mutter, was ist die Sache?
Königin. Hamlet, du hast deinen Vater sehr beleidiget.
Hamlet. Mutter, ihr habt (meinen) Vater sehr beleidiget.
Königin. Kommt, kommt, ihr gebt mir eine verkehrte Antwort.
Hamlet. Sie schikt sich auf eine boshafte Anrede.
Königin. Wie, was soll das seyn, Hamlet?
Hamlet. Was wollt ihr dann?
Königin. Kennst du mich nicht mehr?
Hamlet. Nein, beym Himmel, das nicht; ihr seyd die Königin, euers Gemahls Bruders Weib, aber ich wollte, ihr wäret es nicht!--Ihr seyd meine Mutter.
Königin. Gut, wenn du aus diesem Ton anfängst, so will ich dir jemand antworten lassen, der reden kan--
Hamlet. Kommt, kommt, und sezt euch nieder; ihr sollt mir nicht von der Stelle: Ich laß euch nicht gehen, bis ich euch einen Spiegel vorgehalten habe, worinn ihr euch bis auf den Grund eurer Seele sehen sollt.
Königin. Was hast du im Sinn? Du wirst mich doch nicht ermorden wollen? Hülfe! ho!
Polonius (hinter der Tapete.) Wie? He, Hülfe!
Hamlet. Was giebt's da? Eine Maus? Todt um einen Ducaten, todt.
(Er ersticht den Polonius.)
Polonius. O, ich bin ein Mann des Todes.
Königin. Weh mir! Was hast du gethan?
Hamlet. In der That, ich weiß es nicht: Ist es der König?
Königin. O, was für eine rasche und blutige That ist das!
Hamlet. Eine blutige That; beynahe so schlimm, meine gute Mutter, als einen König ermorden und seinen Bruder heyrathen.
Königin. Einen König ermorden?
Hamlet. Ja, Gnädige Frau, das war mein Wort.
(Zu Polonius.)
Du unglüklicher, unbesonnener, unzeitig-geschäftiger Thor, fahr du wohl! Ich hielt dich für einen Grössern als du bist; habe nun, was du dir zugezogen hast; du erfährst nun, daß es gefährlich ist, sich gar zu viel zu thun zu machen--
(Zur Königin.)
Macht nicht so viel Hände-Ringens, still, sezt euch nieder, und laßt mich euer Herz in die Presse nehmen; denn das will ich thun, wenn es anders von lasterhafter Gewohnheit nicht so eisenhart worden ist, daß es alles Gefühl verlohren hat.
Königin. Was hab ich gethan, das dich vermessen genug macht, mich so rauh anzulassen?
Hamlet. Eine That, welche die keusche Röthe der Unschuld selbst verdächtig macht, und die Tugend eine Heuchlerin nennt; die Rose von der schönen Stirne einer rechtmäßigen Liebe wegreißt und eine Eyter- Beule an ihre Stelle sezt; eine That, die den Ehgelübden nicht mehr Glauben übrig läßt, als die Schwüre falscher Würfel-Spieler haben-- O! so eine That, die den ehrwürdigsten Verträgen die Seele ausreißt, und die holde Religion in leeren Wörter-Schall verwandelt. Des Himmels Angesicht sieht, seit dem diese That geschehen ist, mit trübem Auge auf diesen Erdball herab; so düster und traurig, wie beym Anbruch des Welt-Gerichts.
Königin. Weh mir, was für eine That?
Hamlet. Die so laut brüllt, daß sie bis in die Indien donnert--Seht hieher, seht auf dieses Gemählde, und auf dieses, die Abbildungen zwoer Brüder: seht, was für eine Würde saß auf dieser Stirne--Hyperions Loken--die Stirne des Jupiters selbst--ein Auge, wie des Kriegs- Gottes, zu schreken oder Befehle zu herrschen; eine Stellung, wie des Herolds der Götter, der sich eben auf einen himmelküssenden Hügel herabgeschwungen hat; eine Gestalt, auf welche jeder Gott sein Siegel gesezt zu haben schien um der Welt zu urkunden, daß das ein Mann sey.