Julius Cäsar

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Auf einen Haufen hatten Wohl hundert bleiche Weiber sich gedrängt, Entstellt von Furcht; die schwuren, daß sie Männer Mit feurgen Leibern wandern auf und ab Die Straßen sahn. Und gestern saß der Vogel Der Nacht sogar am Mittag auf dem Markte Und kreischt' und schrie. Wenn dieser Wunderzeichen So viel zusammentreffen, sage niemand: "Dies ist der Grund davon, sie sind natürlich"; Denn Dinge schlimmer Deutung, glaub ich, sind's Dem Himmelstrich, auf welchen sie sich richten.

Cicero. Gewiß, die Zeit ist wunderbar gelaunt; Doch Menschen deuten oft nach ihrer Weise Die Dinge, weit entfernt vom wahren Sinn. Kommt Cäsar morgen auf das Kapitol?

Casca. Ja, denn er trug es dem Antonius auf, Euch kund zu tun, er werde morgen kommen.

Cicero. Schlaft wohl denn, Casca! Dieser Aufruhr läßt Nicht draußen weilen.

Casca. Cicero, lebt wohl! (Cicero ab.)

Cassius tritt auf.

Cassius. Wer da?

Casca. Ein Römer.

Cassius. Casca, nach der Stimme.

Casca. Eur Ohr ist gut. Cassius, welch eine Nacht?

Cassius. Die angenehmste Nacht für wackre Männer.

Casca. Wer sah den Himmel je so zornig drohn?

Cassius. Die, welche so voll Schuld die Erde sahn. Ich, für mein Teil, bin durch die Stadt gewandert, Mich unterwerfend dieser grausen Nacht, Und so entgürtet, Casca, wie Ihr seht, Hab ich die Brust dem Donnerkeil entblößt. Und wenn des Blitzes schlängelnd Blau zu öffnen Des Himmels Busen schien, bot ich mich selbst Dem Strahl des Wetters recht zum Ziele dar.

Casca. Warum versucht Ihr den Himmel so? Es steht dem Menschen Furcht und Zittern an, Wenn die gewaltgen Götter solche Boten Furchtbarer Warnung, uns zu schrecken, senden.

Cassius. O Casca! Ihr seid stumpf; der Lebensfunke, Der glühen sollt in Römern, fehlt Euch, oder Ihr braucht ihn nicht. Ihr sehet bleich und starrt, Von Furcht ergriffen und versenkt in Staunen, Des Himmels ungewohnten Grimm zu schauen. Doch wolltet Ihr den wahren Grund erwägen, Warum die Feur, die irren Geister alle, Was Tier' und Vögel macht vom Stamm entarten Und Greise faseln, Kinder prophezein; Warum all diese Dinge ihr Gesetz, Natur und angeschaffne Gaben wandeln In Mißbeschaffenheit: nun so erkennt Ihr, Der Himmel hauchte diesen Geist in sie, Daß sie der Furcht und Warnung Werkzeug würden Für irgendeinen mißbeschaffnen Zustand. Nun könnt ich, Casca, einen Mann dir nennen, Ganz ähnlich dieser schreckenvollen Nacht, Der donnert, blitzt, die Gräber öffnet, brüllt, So wie der Löwe dort im Kapitol; Ein Mann, nicht mächtiger als ich und du An Leibeskraft, doch drohend angewachsen, Und furchtbar, wie der Ausbruch dieser Gärung.

Casca. 's ist Cäsar, den Ihr meint. Nicht, Cassius?

Cassius. Es sei auch, wer es sei: die Römer haben Jetzt Mark und Bein, wie ihre Ahnen hatten. Doch weh uns! unsrer Väter Geist ist tot, Und das Gemüt der Mütter lenket uns, Denn unser Joch und Dulden zeigt uns weibisch.

Casca. Ja freilich heißt's, gewillt sei der Senat, Zum König morgen Cäsarn einzusetzen; Er soll zur See, zu Land die Krone tragen An jedem Ort, nur in Italien nicht.

Cassius. Ich weiß, wohin ich diesen Dolch dann kehre; Den Cassius soll von Knechtschaft Cassius lösen. Darin, ihr Götter, macht ihr Schwache stark, Darin, ihr Götter, bändigt ihr Tyrannen; Noch felsenfeste Burg, noch ehrne Mauern, Noch dumpfe Keller, noch der Ketten Last Sind Hindernisse für des Geistes Stärke. Das Leben, dieser Erdenschranken satt, Hat stets die Macht, sich selber zu entlassen. Und weiß ich dies, so wiß auch alle Welt: Den Teil der Tyrannei, der auf mit liegt, Werf ich nach Willkür ab.

Casca. Das kann auch ich. So trägt ein jeder Sklav in eigner Hand Gewalt, zu brechen die Gefangenschaft.

Cassius. Warum denn wäre Cäsar ein Tyrann? Der arme Mann! Ich weiß, er wär kein Wolf, Wenn er nicht säh, die Römer sind nur Schafe; Er wär kein Leu, wenn sie nicht Rehe wären. Wer eilig will ein mächtig Feuer machen, Nimmt schwaches Stroh zuerst; was für Gestrüpp Ist Rom, und was für Plunder, wenn es dient Zum schlechten Stoff, der einem schnöden Dinge Wie Cäsar Licht verleiht? Doch, o mein Gram! Wo führtest du mich hin? Ich spreche dies Vielleicht vor einem willgen Knecht; dann weiß ich, Daß ich muß Rede stehn; doch führ ich Waffen, Und mich bekümmern die Gefahren nicht.

William Shakespeare
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